E-Vergabe: Ausschluss eines auf Anraten des Antragsgegners (vorab)
unverschlüsselt per E-Mail eingereichten Angebots
(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.03.2017 – 15 Verg 2/17)
In einem Vergabeverfahren waren ausschließlich elektronische Angebote zugelassen, die bis 27.10.2016, 10.00 Uhr, über eine Vergabe-Plattform eingereicht werden mussten. Ein Bieter – die spätere Beigeladene – unternahm am 26.10.2016 mehrere erfolglose Versuche der Angebotsabgabe. Seine Versuche, den Telefon-Service des Plattform-Betreibers zu erreichen, blieben ebenfalls erfolglos. Am Morgen des 27.10.2016 nahm der Bieter gegen 8.45 Uhr Kontakt zur Service-Hotline der Vergabe-Plattform auf, die jedoch die Probleme ebenfalls nicht lösen konnte. Der Bieter reichte daraufhin auf Anraten einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin sein Angebot um 9.56 Uhr als Anlage zu einer E-Mail ohne besondere Verschlüsselung bei der Antragsgegnerin ein. Um 14.34 Uhr gelang schließlich auch die Einreichung des Angebots über die Vergabe-Plattform. Die Angebotsöffnung erfolgte um 15.15 Uhr. Die Antragsgegnerin schloss das um 9.56 Uhr per E-Mail eingegangene Angebot wegen Formmangels aus, entschloss sich aber dazu, das um 14.34 Uhr über die Vergabe-Plattform eingegangene Angebot als rechtzeitig eingegangenes Angebot zu werten. Die Wertung ergab, dass das Angebot auf dem ersten Platz lag.
Die Zulassung des Angebots wurde vom zweitplatzierten Bieter – der späteren Antragstellerin – zunächst gerügt und sodann durch einen Nachprüfungsantrag angegriffen. Die Antragsgegnerin verteidigte ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beigeladene die Probleme bei der Einreichung ihres Angebots nicht zu vertreten habe. Auch ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs liege nicht vor, weil die anderen Angebote bei Einreichung des Angebots der Beigeladenen bereits abgegeben gewesen seien und sie daher nicht durch das unverschlüsselt eingereichte Angebot beeinflusst werden konnten. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag des zweiplatzierten Bieters zurück und folgte der Argumentation der Antragsgegnerin.
Das Oberlandesgericht ändert die Entscheidung der Vergabekammer ab und fordert die Antragsgegnerin auf, die Wertung unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen. Es begründet dies damit, dass das Angebot der Beigeladenen wegen der zunächst erfolgten unverschlüsselten Einreichung per E-Mail zwingend auszuschließen sei. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Beigeladene die Probleme mit der Vergabe-Plattform nicht zu vertreten habe und ihr Angebot auf Anraten einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin per E-Mail eingereicht habe. Die Beigeladene hätte ihre Rechte dadurch wahren müssen, dass sie die Probleme mit der Vergabe-Plattform rügt. Die Antragsgegnerin hätte der Rüge durch eine Verlängerung der Angebotsfrist abhelfen können. Hätte sie dies nicht getan, hätte der Bieter den hierin liegenden weiteren Vergaberechtsverstoß ebenfalls rügen und gegebenenfalls über ein Nachprüfungsverfahren eine Zurücksetzung des Vergabeverfahrens erzwingen müssen.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist jedenfalls vor dem Hintergrund, dass die Beigeladene ihr Angebot auf Anraten der Antragsgegnerin selbst per E-Mail eingereicht hat, kritisch zu sehen. Richtigerweise hätte das Vergabeverfahren jedenfalls wegen dieses vertrauensauslösenden Tatbestands vom Oberlandesgericht in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt werden müssen. Bietern ist in vergleichbaren Situationen zu raten, ihre Rechte nicht durch Einreichung des Angebots per E-Mail, sondern durch Rüge und gegebenenfalls anschließenden Nachprüfungsantrag zu wahren.
Dr. Volkmar Wagner
CMS Hasche Sigle, Stuttgart
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