Thema Sanierung 4.0: KI richtig und ziel- gerichtet einsetzen Herr Brägelmann, Sie beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren mit den neuesten technologischen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung von Restrukturierungen und Sanierungen – allen voran KI-basierten Chatbots wie ChatGPT oder BingChat. Wie bewerten Sie die Einsatzmöglichkeiten von KI im Sanierungs- und Restrukturierungsbereich? Brägelmann: Zuerst sollten sich alle Nutzer darüber bewusst sein, dass ein Chatbot kein Ersatz für eine Suchmaschine oder gar eine Wahrheitsmaschine ist. Chatbots können zum jetzigen Zeitpunkt juristische oder wirtschaftliche Fragen nicht so fundiert beantworten wie erfahrene Experten aus den Bereichen Sanierung und Restrukturierung. Aber ChatGPT, Claude, Gemini Advanced und andere Chatbots sind hervorragend dafür geeignet, juristische Texte zu kürzen oder verständlicher zu machen. Sie können sogar juristische Texte entwerfen. Natürlich müssen die Nutzer diese Texte dann noch gründlich überprüfen, um sicherzustellen, dass alles korrekt ist – was die Nutzer aber nur können, wenn sie etwas von Jura verstehen. Aber brauchbare erste Textentwürfe liefern Chatbots durchaus. Was wäre ein Beispiel für eine solche Nutzung von Chatbots? Brägelmann: Ein gutes Beispiel wäre die Erstellung einer Gegenposition zu einer juristischen Argumentation. Zunächst ist es wichtig, dass die Nutzer ihre Anfrage so präzise und detailliert wie möglich formulieren, um genauere Antworten und Texte zu erhalten. Im Fall der Gegenposition müssen die Nutzer dem Chatbot zunächst die juristische Argumentation aus dem Schriftsatz der Gegenseite geben – natürlich anonymisiert – und den Chatbot dann bitten, eine passende Gegenposition zu schreiben, dies in juristischer Sprache und mit Nennung einschlägiger juristischer Zitate. Der Chatbot wird sicherlich noch das ein oder andere Zitat frei erfinden, weil ihm Quellen und Training fehlen – man nennt das „Halluzinieren“, es ist eine Art Antwortzwang per Wahrscheinlichkeitsrechnung – aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Chatbots Juristendeutsch schon sehr gut nachahmen können. Der Zusatz in einem Prompt in der Art von „bitte sehr juristisch schreiben“ ist übrigens oft entscheidend, da der Chatbot ansonsten unter Umständen einen nicht-juristischen Text erstellt und damit das Ziel verfehlt. Sie sprechen davon, dass Schriftsätze anonymisiert werden müssen. Wieso? Brägelmann: Das hat zum einen mit Datenschutz zu tun, zum anderen mit dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und dem Anwaltsgeheimnis. Chatbots 1999 trat nicht nur die Insolvenzordnung in Kraft, es kam auch der erste Teil der Matrix-Saga in die Kinos. Ein Film, der ein sehr düsteres Bild des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) zeichnet. Doch auch wenn die KI-Anwendungen heute noch weit davon entfernt sind, die Herrschaft über die Menschheit zu übernehmen, gibt es dennoch Besonderheiten, die Sanierer bei ihrem Einsatz im Blick haben sollten.
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