KRISE CHANCE präsentiert von April 2025 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz (ERSTE) ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG TEIL 3 VON „Erfolgsfaktor Sanierung“
„Die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei. Von all deinen Küssen, darf ich nichts mehr wissen. Wie schön es auch sei, dann ist alles vorbei“ singt Jupp Schmitz in seinem bekannten Karnevalslied anlässlich des Aschermittwochs, der dieses Jahr auf den 5. März gefallen ist. Und auch wenn sich die Zeilen des Liedes wohl eher auf die (flüchtige) Liebelei in der fünften Jahreszeit als auf die Liebe fürs Leben beziehen, so zeigen sie doch, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die Verbindung für immer hält. Das ist in Liebesdingen nicht anders als im Wirtschaftsleben – mitunter trennt man sich zudem nicht im Guten - sei es unter Liebenden, Gesellschaftern oder Geschäftspartnern. Um Schillers Lied an die Glocke zu zitieren: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ Damit die Reu zumindest im Wirtschaftsleben nicht zu lang wird, ist es gut, wenn man sich bei Zeiten auf den Fall der Fälle vorbereitet hat. Wie das im Fall eines (notwendigen) Gesellschafterausschlusses oder der Insolvenz eines Geschäftspartners aussieht, stellen Dr. Ludwig J. Weber und Thomas Dömmecke auf dem Blog der Kanzlei dar. TICKER AM ASCHERMITTWOCH IST ALLES VORBEI
„Der April macht, was er will“ – und manchmal fühlt sich auch das wirtschaftliche Leben genauso an wie das meteorologische aus der bekannten Bauernregel. An einem Tag scheint die Sonne, doch plötzlich und unerwartet erwischt einen ein Regenschauer, und zwischendurch fragt man sich, ob der Winter ein Comeback anstrebt. Doch genau diese Unberechenbarkeit und die Mischung machen den April und den mit ihm unaufhaltsam aufkommenden Frühling auch so spannend – und das jedes Mal aufs Neue. Und genauso ist es bei Krise & Chance, ihrem Begleiter durchs Jahr für Neues zu Restrukturierung und Insolvenzen. In jeder Ausgabe ordnen wir für Sie drei Themen und ihre Auswirkungen ein – und das nicht nur im April oder im Wechsel der Jahreszeiten, sondern Monat für Monat. Und auch in dieser, der April-Ausgabe, haben wir wieder eine Mischung aus aktuellen Themen für Sie zusammengestellt. Freuen Sie sich auf fundierte Einordnungen, die Licht ins wirtschaftliche und juristische Aprilwetter bringen – und das verspreche ich Ihnen, ganz ohne Überraschungsschauer oder Wintercomeback. Allerdings geht es auch in unserem Titelthema „(Erste) allgemeine Verunsicherung“ um Überraschendes beziehungsweise Ereignisse mit Seltenheitswert, und Insolvenzen in der Versicherungsbranche kann man durchaus als solche bezeichnen. Umso mehr Aufmerksamkeit erfuhr und erfährt daher die Insolvenz des Versicherungs-Startups Element Insurance, dessen Verfahren Anfang März eröffnet wurde. Im Interview spricht Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun über die Herausforderungen, vor der die gesamte Branche steht. Unternehmen befinden sich branchenübergreifend vor zahlreichen Herausforderungen. Fakt ist: Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten wie diesen ist kein Unternehmen davor gefeit, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Wenn das der Fall ist oder ihr Unternehmen absehbar in eine Krise zu rutschen scheint, sollten Geschäftsleiter die möglichen Haftungsrisiken im Blick haben – gerade, da diese für sie nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung auch nach ihrem Ausscheiden weiterhin von großer Bedeutung sind. Dr. Ludwig Weber und Thomas Dömmecke von Schultze & Braun erläutern in „Haftung, die haften bleibt!“, worauf Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang achten sollten. Im dritten Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“ zeigen wir, warum das Stuttgarter Restaurant „Academie der schönsten Künste“ im 25. Jahr seines Bestehens einen besonderen Grund zu feiern hat und welche Bedeutung dabei die professionelle Zusammenarbeit zwischen dem Inhaber und dem Insolvenzverwalter, Dr. Markus Schuster von Schultze & Braun, hatte. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und möchte Ihnen als Ausblick gerne eine weitere Bauernregel mitgeben: Ist der April schön und rein – wird der Mai umso wilder sein. Und das gilt für das Wetter genauso wie für Krise & Chance. Ihr Tobias Hirte E D I T O R I A L
Das Jahr 2024 hat die Pflegeversicherung mit einem Defizit in Höhe von 1,54 Milliarden Euro abgeschlossen. Für dieses Jahr erwartet der GKV-Spitzenverband, die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland und auf europäischer sowie internationaler Ebene, trotz der kürzlichen Beitragserhöhung, ein Defizit von rund einer halben Milliarde Euro. „Der Pflege steht das Wasser bis zum Hals. Und der Pegel steigt“, fasst Dr. Doris Pfeiffer, die GKV-Vorstandsvorsitzende die aktuelle Situation und die Perspektiven der Pflegeversicherung zusammen. Fakt ist: Die Pflegeversicherung steckt in der Krise. Erstmals seit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung musste kürzlich eine Pflegekasse Finanzhilfen beantragen, um eine Pleite abzuwenden. Der GKV-Spitzenverband fordert von der nächsten Bundesregierung, dass sie sowohl Sofortmaßnahmen auf den Weg bringt, um die Pflege-Finanzen kurzfristig zu stabilisieren als auch eine umfangreiche Reform der Pflege. Aber nicht nur Pflegekassen und die Bundesregierung, sondern auch Geschäftsleiter von Unternehmen sollten das Vermeiden von Finanzierungsproblemen im Blick haben – gerade, weil Unternehmen bei einer Liquiditätslücke nicht die Möglichkeit haben, (Pflege-) Beiträge zu erhöhen oder auf einen Zuschuss aus Steuergeldern hoffen zu können. Zudem droht Geschäftsleitern eine strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung, wenn sie nicht rechtzeitig handeln, und die Insolvenzantragspflicht gilt seit dem Jahreswechsel wieder in vollem Umfang. Doch ab wann hat ein Unternehmen so große Finanzierungsprobleme, dass es zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist? Das stellen Stefan Höge und René Schmidt von Schultze & Braun in ihrem Beitrag „Finanzielle Schieflage und Haftungsrisiken: Welche Punkte Geschäftsleiter bei der Zahlungsunfähigkeit beachten sollten“ auf dem Blog der Kanzlei dar. Die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zum Jahreswechsel 2024/2025 wirft zudem ein spezielles Schlaglicht auf das Sozialversicherungs-Haftungsdilemma. Thomas Dömmecke von Schultze & Braun erläutert im Interview „Steigende Beiträge und finanzielle Risiken“, worauf Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang achten sollten. MILLIARDENDEFIZIT IN DER PFLEGE Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Anfang März die sechste Zinssenkung seit Juni 2024 vollzogen. Wie allerdings der weitere Zinskurs der EZB im Jahr 2025 – den nächsten Zinsentscheid trifft der EZB-Rat aller Voraussicht nach bei seiner Sitzung Mitte April – aussieht, ist derzeit alles andere als klar. Klar ist jedoch, dass die Zinssenkungen der EZB für Unternehmen von großer Bedeutung sind, da diese Änderung für sie wirtschaftlich von Nachteil sein kann. Denn durch niedrigere Zinsen steigen die finanziellen Aufwendungen für die Verpflichtungen, mit denen sie die Pensionszusagen für ihre Mitarbeitenden abdecken, ordnet Alexander von Saenger, die Auswirkungen im Interview „Handlungsbedarf für Unternehmen bei den Pensionsverpflichtungen“ auf dem Blog der Kanzlei ein. Zudem erläutert der Fachanwalt für Arbeitsrecht ZINSSENKUNG DIE SECHSTE TICKER
Die anhaltende Krise im Markt für Gewerbeimmobilien setzt deutschen Banken besonders zu, da für sie Gewerbeimmobilienkredite eine große Bedeutung haben. Nach Angaben der BaFin machten sie 2024 fast zehn Prozent der aggregierten Bilanzsumme aller heimischen Banken aus. Rund fünf Prozent der Kredite im Gewerbeimmobilienbereich gelten als ausfallgefährdet - besonders risikobehaftet sind Anschlussfinanzierungen von Bestandskrediten, warnt die BaFin in ihrem Bericht „Risiken im Fokus“. Die gute Nachricht ist: Wenn ein Eigentümer oder die Besitzgesellschaft eine Immobilie frisches Kapital benötigt, gibt es mit der doppelseitigen Treuhand ein bewährtes und präventiv einsetzbares Instrument, um Sanierungskonzepte umzusetzen und Insolvenzen vermeiden. Worauf dabei zu achten ist, erläutern Dr. Alexandra Josko de Marx und Roland Dr. Fendel von Schultze & Braun in ihrem Beitrag „In der Krise auf Nummer Sicher gehen“ auf dem Blog der Kanzlei. Lässt sich die finanzielle Schieflage nicht beheben, gibt es für gesicherte Gläubiger – etwa Banken mit einem Grundpfandrecht – neben einer Insolvenzverwaltung mit der Zwangsverwaltung eine weitere Möglichkeit, ihr Ausfallrisiko zu minimieren, wenn eine Immobilie finanziell einsturzgefährdet ist. Welche Vorteile die Zwangsverwaltung einer Immobilie haben kann, zeigen Katharina Franke und Rüdiger Bauch von Schultze & Braun im Interview. In der deutschen Finanzwirtschaft rücken Kreditrisiken verstärkt ins Blickfeld. Im Interview „Kredite und Krisen“ ordnen Jürgen Sonder, der Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V. Kreditankauf und Servicing (BKS) und Dr. Ludwig J. Weber von Schultze & Braun die Risiken ein und stellen dar, warum ein funktionierender und professioneller Sekundärmarkt für notleidende Kredite und eine profunde Krisenexpertise daher umso wichtiger sind. Worauf Banken beim Ausfallrisiko für Kredite achten sollten, erläutern Rüdiger Bauch und Martin Kropp auch auf Basis der Untersuchung zur Nachhaltigkeit von Unternehmenssanierungen von Schultze & Braun im Interview auf dem Blog der Kanzlei. FINANZIELL EINSTURZGEFÄHRDET von Schultze & Braun darin den Handlungsbedarf und die Möglichkeiten für Unternehmen. Ein weiteres Thema, bei dem Vorsorge wichtig ist, sind Betriebsrenten und die betriebliche Altersvorsorge (bAV). Grundsätzlich ist eine betriebliche Altersvorsorge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine gute Sache. Wichtig ist jedoch: Im Fall einer notwendigen Unternehmenssanierung sollten die Verantwortlichen die betriebliche Altersvorsorge ihrer Betriebsrentner und Anwärter frühzeitig in den Blick nehmen. Seraphim Ung Kim und Siegfried Flogaus, ebenfalls Fachanwälte für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun, erläutern in ihrem Beitrag „Insolvenz-Vorsorge für die betriebliche Altersvorsorge“ auf dem Blog der Kanzlei auf Basis ihrer Praxiserfahrung, worauf dabei zu achten ist.
(ERSTE) ALLG VERUNSICHE T I TEL
LGEMEINE ERUNG
Insolvenzen in der Versicherungsbranche sind selten. Umso mehr Aufmerksamkeit erfuhr und erfährt daher die Insolvenz des Versicherungs-Startups Element Insurance, dessen Verfahren Anfang März eröffnet wurde. Im Interview spricht Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun über die Herausforderungen, vor der die gesamte Branche steht. Herr Erbe, die Insolvenz von Element Insurance hat ein Schlaglicht auf die Versicherungsbranche und die Herausforderungen geworfen, vor denen sie steht. Ist Element ein Einzelfall? Erbe: Nein, die Insolvenz von Element reiht sich in eine Serie von Krisen in der deutschen InsurtechBranche ein. Aus den einstigen Hoffnungsträgern sind oftmals Sorgenkinder geworden. Marktführer Wefox wird derzeit in Einzelteile zerschlagen und sein Versicherungsgeschäft in Deutschland aufgeben. Die Entwicklungen führten zu einer drastischen Neubewertung des einst mit 4,5 Milliarden Euro bewerteten Startups. Der Gewerbeversicherer Mailo gab 2022 seine Versicherungslizenz zurück, den Bestand übernahm Element. Im selben Jahr übernahm das französische Startup Luko den Berliner Digitalversicherer Coya, und wurde ein Jahr später vom deutschen Konkurrenten Getsafe geschluckt. Und im November 2024 meldete der Cyber- Assekuradeur Cogitanda Insolvenz an. Grundsätzlich gilt: Geraten Versicherer, aber auch Banken in eine wirtschaftliche Schieflage, kommen aufgrund ihrer zentralen und systemrelevanten Bedeutung branchenspezifische Besonderheiten zum Tragen. Was sind die Gründe dafür, dass gerade junge Versicherungsunternehmen in Schieflage geraten? Erbe: Ein Grund stellt die zunehmende Digitalisierung der Geschäftsmodelle dar, die eines der beherrschenden Themen der Versicherungswirtschaft ist. Eine Gründungswelle brachte in den letzten gut zehn Jahren eine neue Gruppe von Insurtech-Startups hervor. Jedoch haben die steigende Inflation der letzten Jahre und der damit verbundene Zinsanstieg zu einem Rückgang bei den Risikokapitalinvestments geführt. Betroffen sind vor allem Modelle, deren großes Risiko es ist, im Ringen um Neukunden von den extrem hohen Marketing- und Vertriebsaufwendungen zerrieben zu werden. Es gibt dann zwar einen Kundenstamm, der reicht aber nicht aus, um die Fixkosten zu decken. Diese können zwar im Fall der Fälle bis zu einem gewissen Punkt heruntergefahren werden, dann aber verfügen die Startups über keine Ressourcen mehr, um auf der Vertriebsseite echte Erfolge zu generieren. Ein Indikator, der die Entwicklung gut beschreibt, ist die Gründungsflaute in der Branche: Im Jahr 2024 wurde überhaupt kein neues Startup im Versicherungsbereich mehr gegründet. Das ergab eine Auswertung des New Players Network, eine Initiative der Versicherungsforen Leipzig. 2018 gab es noch 32 neue Insurtechs, 2021 waren es 24 und 2023 schließlich nur noch fünf. Zudem legte die Bafin die Hürden für Neugründen im Jahr 2021 höher und verlangte schon zum Start, dass die Startups über deutlich mehr Eigenmittel verfügen müssen, als das bei vergleichbaren Vorgängern der Fall war. T I TEL
Wie kam es zur finanziellen Schieflage bei Element? Erbe: Element war eines von wenigen Startups war, denen die Bafin in den vergangenen Jahren eine Lizenz als Versicherer erteilt hatte. Das Berliner Insurtech war als sogenannter White-Label-Versicherer im Markt aktiv: Element trat also nicht direkt unter eigenem Namen an Kunden heran, sondern vertrieb seine Versicherungen über Partner wie etwa Volkswagen oder Borussia Dortmund. Diese integrierten die Policen mittels technischer Lösungen in ihre Produkte. Zu Insurtechs mit solchen Geschäftsmodellen zählen beispielsweise auch Getsafe und Neodigital. Element sammelte rund 150 Millionen Euro von Investoren ein, zählte nach eigenen Angaben zeitweise über 200.000 Kunden und zu den größeren Investoren gehörten unter anderem das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin. Grund für die Insolvenz soll Medienberichten zufolge das Auslaufen des wichtigsten Rückversicherungsvertrages durch die Hannover Rück Ende 2023 gewesen sein. Ohne diese Unterstützung forderte die BaFin frisches Kapital von Element und verhängte einen Neukundenstopp. Trotz intensiver Suche konnten die benötigten Mittel nicht beschafft werden. Zudem lehnten große Investoren wie das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin weiteres Engagement ab. Gehen Sie von weiteren Insolvenzen im Versicherungsbereich aus? Erbe: Grundsätzlich sind die deutschen Versicherer solide aufgestellt. Ihre Stabilität haben sie mit dem jüngsten EIOPA-Stresstest unter Beweis gestellt. Die Simulation der Versicherungsaufsicht zeigt, dass die Solvenz aller getesteten Versicherungsgruppen auch unter Extrembedingungen gesichert bleibt. Gleichzeitig steht die europäische Versicherungsbranche mit der kürzlich verabschiedeten Überarbeitung der Solvency-II-Richtlinie und der Insurance Recovery and Resolution Directive, kurz IRRD, vor wesentlichen Veränderungen, die die Versicherungsunternehmen verpflichtet, präventive Sanierungs- und Abwicklungspläne für den Krisenfall zu erstellen. Diese Richtlinie soll die Resilienz der Branche weiter stärken. Es ist also durchaus davon auszugehen, dass die Herausforderungen für die Branche noch eine ganze Zeit lang anhalten werden. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Krise bei den Insurtechs ebenfalls noch nicht vorüber ist. In seinem Beitrag auf dem Blog von Schultze & Braun zu den Herausforderungen der Versicherungsbranche geht Dr. Jürgen Erbe zudem auf die Auswirkungen ein, die der Klimawandel und der Anstieg der Insolvenzen in vielen Branchen für Versicherer haben.
HAFTUNG, DIE HAFTEN BLEIBT! THEMA Wenn sich ihr Unternehmen in einer finanziellen Schieflage befindet oder absehbar in eine solche zu geraten droht, sollten Geschäftsleiter die möglichen Haftungsrisiken im Blick haben – gerade, da diese für sie nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung auch nach ihrem Ausscheiden weiterhin von großer Bedeutung sind. Kein Unternehmen ist davor gefeit, in eine wirtschaftliche Schieflage zu geraten. „Auch wenn das zunächst hart klingt, sollten sich Geschäftsleiter gerade angesichts der zahlreichen potentiellen Risiken bereits bei ersten Anzeichen regelmäßig mit der Frage befassen, ob ihr Unternehmen unter Umständen insolvenzreif ist“, sagen Dr. Ludwig J. Weber und Thomas Dömmecke von Schultze & Braun. „Die Antwort darauf hat nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für Geschäftsleiter in Bezug auf ihre persönliche Haftung eine große Bedeutung – und das durchaus auch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen.“ Damit kommen wir zur ersten BGH-Entscheidung, die aus dem Juli 2024 stammt, und mit der die Karlsruher Richter die Geschäftsleiterhaftung in zeitlicher Hinsicht ausweiten. „Sie haben entschieden, dass ein Geschäftsleiter auch nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen dafür haftet, wenn dem Unternehmen und/oder Gläubigern ein Schaden entsteht, weil der Geschäftsleiter während seiner Amtszeit keinen Insolvenzantrag gestellt hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre“, erläutern Weber und Dömmecke. Konkret ging es im Fall vor dem BGH um vier Verträge, von denen drei während der Amtszeit des Geschäftsleiters und einer nach dessen Ausscheiden geschlossen worden waren, alle aber nach Insolvenzreife. Nach mir die Sintflut? Mit dem Ausscheiden des Geschäftsleiters entfalle laut dem BGH zwar formell die Insolvenzantragspflicht, da nur der amtierende Geschäftsleiter einen solchen Antrag stellen kann. Der ausgeschiedene Geschäftsführer ist aber für einen Schaden verantwortlich, wenn er vor seinem Ausscheiden eine Situation geschaffen hat, die erst nach seinem Ausscheiden zum Eintritt eines Schadens geführt hat – im Fall
vor dem BGH zählte dazu auch der Vertragschluss nach seinem Ausscheiden, den es bei rechtzeitiger Insolvenzantragsstellung nicht mehr gegeben hätte. Oder anders formuliert: Die Haftungsrisiken bleiben am Geschäftsleiter im Fall einer Insolvenzverschleppung auch nach seinem Ausscheiden haften. Er haftet für das „Weiterwurschteln“ der insolventen Gesellschaft. Zwar kann die Verantwortlichkeit für einen Insolvenzverschleppungs-Schaden unterbrochen werden, wenn sich die betroffene Gesellschaft nach dem Ausscheiden des Geschäftsleiters zwischenzeitlich wirtschaftlich erholt hat und die Insolvenzreife anschließend erneut eintritt. „Geschäftsleiter sollten jedoch nicht darauf bauen, dass eine wirtschaftliche Erholung des Unternehmens sie vor den Haftungsrisiken bewahrt – zumal der BGH diese ‚Du kommst aus der Haftung frei-Karte’ an bestimmte Bedingungen geknüpft hat“, sagen Weber und Dömmecke Da die nachgelagerte Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsleiters nach der BGH-Entscheidung zudem nicht zeitlich begrenzt ist, erhöht sie für Geschäftsleiter die Bedeutung der Antwort auf die Frage „Ist mein Unternehmen unter Umständen insolvenzreif?“ in zeitlicher Hinsicht enorm. Wann endet eine D&O-Versicherung? „In diesem Zusammenhang spielt für Geschäftsleiter auch eine Entscheidung des BGH im Zusammenhang mit D&O-Versicherungen aus dem Dezember 2024 eine große Rolle“, sagen Weber und Dömmecke. In der Entscheidung ging es originär um die Kündigungszeiträume bei einer D&O-Versicherung und die Frage, inwieweit der Versicherungsschutz auch im Insolvenzfall gilt. Kurz zusammengefasst und vereinfacht dargestellt, hat der BGH entschieden, dass bei einer D&O-Versicherung die Klausel ‚Diese D&O-Versicherung endet automatisch, wenn ein Insolvenzantrag gestellt wird’ nicht wirksam ist und eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat zum Ende der Versicherungsperiode einzuhalten ist. So weit so gut, mag nun ein Geschäftsleiter denken. „Jedoch ist neben der Kündigungsfrist bei einer D&O-Versicherung das sogenannte ‚claims-madePrinzip’, das regelmäßig D&O-Versicherungen zugrunde liegt, von mindestens ebenso großer Bedeutung“, sagen Weber und Dömmecke. Ein Versicherungsfall im Sinne des Versicherungsvertrages tritt danach nicht automatisch ein, wenn ein Organmitglied seine Pflicht verletzt und dadurch ein Schaden für die Gesellschaft entsteht, sondern erst, wenn das betreffende Organmitglied aufgrund eines Schadens tatsächlich in Anspruch genommen wird, beispielsweise durch die Einleitung eines gerichtlichen Schadenersatzprozesses. „Dies ist gerade in Insolvenzfällen von Bedeutung, da die Inanspruchnahme durch Insolvenzverwalter Monate, mitunter sogar Jahre nach dem Insolvenzantrag erfolgt“, ordnen Weber und Dömmecke ein. Ansprüche aus § 15 b der Insolvenzordnung zum Beispiel verjähren erst nach fünf, bei einer Börsennotierung sogar erst nach zehn Jahren, wobei nicht der Zeitpunkt des Insolvenzantrags, sondern der Zeitpunkt der pflichtverletzenden Zahlung ausschlaggebend ist. Geschäftsleiter sollten daher gerade beim Abschluss einer D&O-Versicherung darauf achten, dass nicht das claims-made Prinzip, sondern vielmehr eine Occurrence-Deckung (ereignisbasierte Deckung nach dem Verstoßprinzip) vereinbart wird. „Diese Deckungen sind oftmals als persönliche Verträge ausgestaltet, bei denen der Geschäftsleiter selbst und nicht die Gesellschaft Versicherungsnehmer ist“, sagen Weber und Dömmecke. „Ein wesentlicher Vorteil für den Geschäftsleiter als Versicherungsnehmer ist die Sicherheit, dass auch Ansprüche aus Verletzungshandlungen während der aktiven Zeit als Organ, die vielleicht Jahre nach dem Ereignis erkannt beziehungsweise geltend gemacht werden, durch eine solche D&O-Versicherungspolice abgedeckt sind.“ Im Rahmen von Anstellungsverträgen, spätestens aber beim Abschluss einer Ausscheidungsvereinbarung, sollten Geschäftsleiter – wenn keine Occurrence-Deckung zu erhalten ist – zumindest darauf achten, dass Regelungen aufgenommen werden, die die Gesellschaft zur Aufrechterhaltung des D&O-Versicherungsschutzes auch nach dem Ausscheiden für einen Nachhaftungszeitraum verpflichten, raten die Haftungsexperten.
SER I E Die Academie der schönsten Künste feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Weshalb es einen besonderen Grund zum Feiern gibt und welche Bedeutung die Zusammenarbeit zwischen dem Inhaber des Restaurants und dem Insolvenzverwalter dabei hatte und hat, darum geht es im dritten Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“. Die Academie der schönsten Künste – vom Inhaber, dem Team, aber auch den Gästen liebevoll ACA genannt – in Stuttgart Mitte kann man zu Recht als außergewöhnlich bezeichnen: Originelle Einrichtung in Restaurant und Bar, der idyllische Biergarten mitten in Stuttgart und viele treue Stammgäste, die auch wegen Inhaber André Divanach und seinem Team ihren Weg an den Charlottenplatz finden. In diesem Jahr feiert die ACA ihr 25-jähriges Bestehen „Umso schöner ist es, dass wir dieses Jubiläum nun befreit und mit einer positiven Zukunftsperspektive für unsere ACA feiern können, nachdem wir die wirtschaftlichen Aus- und Nachwirkungen der Corona-Pandemie aufgearbeitet haben“, sagt André Divanach. „Wir haben die finanzielle Neuaufstellung zum 1. Dezember 2024 erfolgreich abgeschlossen und eine Fortführungslösung umgesetzt, bei der sich an unserem Team, aber auch dem Angebot für unsere Gäste nichts ändert – ganz im Gegenteil: Ich verspreche, dass wir in Zukunft noch außergewöhnlicher und origineller werden, als wir es ohnehin schon sind!“ Im laufenden Betrieb wieder auf eine gesunde wirtschaftliche Basis gestellt Während der gesamten Phase der finanziellen Neuaufstellung und der Umsetzung der Fortführungslösung wurde André Divanach von Dr. Markus Schuster vom Stuttgarter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun begleitet. „Gerade die Hotel- und Gastronomiebranche ist nach wie vor von den wirtschaftlichen Nachwehen der CoronaPandemie betroffen. Die ACA ist ein gutes Beispiel dafür, dass es Möglichkeiten gibt, ein Restaurant im laufenden Betrieb wieder auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu stellen und dabei alle Arbeitsplätze zu erhalten“, sagt der Rechtsanwalt, der bereits mehrere Restaurant- und Hotelleriebetriebe in ähnlichen Situationen begleitet hat. Die finanzielle Schieflage ging hauptsächlich auf die wirtschaftlichen Nachwehen der Corona-Pandemie zurück. Der eigentliche Restaurantbetrieb trug und trägt sich wirtschaftlich „Wichtig für den Erfolg war die Bereitschaft von André Divanach, sich der Herausforderung zu stellen und mit der Neuaufstellung die Chance auf einen finanziellen Neustart zu ergreifen. Umso mehr freut es mich für ihn und das Team der ACA, dass dies gelungen ist und es jetzt zusätzlich zum ACA-Vierteljahrhundert einen weiteren Grund zum Feiern gibt“, sagt Schuster. „Ein Vorteil bei der Sanierung war, dass André Divanach die ACA als GmbH geführt hatte. Es war daher mit ZustimDER SCHÖNSTE GR Im vorangehenden Teil der Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“ stehen mit der Eisengießerei-Gruppe Gienanth eine energieintensive Branche und die Herangehensweise an den M&A-Prozess im Zuge einer GruppenSanierung im Fokus. Foto: www/academie-der-schoensten-kuenste.de
mung der Gläubiger möglich, dass er als Einzelunternehmer die Vermögenswerte der Gesellschaft übernehmen konnte, nachdem er die finanziellen Mittel für den Neustart akquiriert hatte. Hinzu kam, dass die Belegschaft der ACA an Bord geblieben ist. Denn ohne Mitarbeitende kann auch die beste Gastronomiesanierung nicht funktionieren.“ Schnelligkeit ist Trumpf In der Gastronomie, aber auch der Hotellerie kommt es bei Sanierungen auf Schnelligkeit an. Im sogenannten Insolvenzgeldzeitraum – in der Regel die drei Monate nach dem Insolvenzantrag – sind die Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden über das Insolvenzgeld abgesichert. „Der Gastronomiebetrieb kann also bis zu drei Monate ohne Personalkosten wirtschaften und sich ein finanzielles Sanierungspolster erarbeiten“, sagt Schuster. Dass dies möglich ist, ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Denn im eröffneten Verfahren muss der Geschäftsbetrieb wieder unter Vollkosten laufen und die Löhne und Gehälter müssen wieder aus dem laufenden Geschäftsbetrieb erwirtschaftet werden. „Wenn dieser Schritt erfolgreich geschafft wurde, ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg aus dem Verfahren erreicht, und im Idealfall ist dann auch bereits ein Übernehmer gefunden oder der bisherige Inhaber kann die Sanierung wie bei der ACA mit neuen Finanzmitteln aus eigener Kraft stemmen“, sagt der Rechtsanwalt. „Der Insolvenzgeldzeitraum ist in der Gastronomie und der Hotellerie aber auch deshalb so wichtig, da der reguläre Restaurantbetrieb oftmals schwer zu planen ist. Man weiß ja, wenn man Veranstaltungen und Reservierungen ausklammert, nur bedingt, wie viele Gäste ins Restaurant kommen. Zudem gibt es Zeiten im Jahr – etwa nach dem Jahreswechsel oder im Spätherbst, die weniger umsatzstark sind als etwa die Weihnachtszeit oder der Sommer mit der Außengastronomie.“ Die ACA ist und bleibt die ACA Klar ist aber auch: Ohne die Unterstützung und das Engagement des ACA-Teams, aber auch des Verpächters der Räumlichkeiten, wäre die Sanierung sehr wahrscheinlich nicht von Erfolg gekrönt gewesen. „Dass sich alle Beteiligten so für die ACA engagiert haben, ist keine Selbstverständlichkeit, und dafür möchten wir uns herzlich bedanken“, sagen Schuster und Divanach. „Der große Zuspruch, den wir von unseren Gästen im Tagesgeschäft, aber auch bei den Privat- und Firmenveranstaltungen bekommen, sind für mich und das gesamte Team Bestätigung und Ansporn zugleich“, ergänzt André Divanach. „Das gesamte Team legt sich für unsere Gäste ins Zeug, und sorgt dafür, dass die ACA die ACA ist und bleibt.“ Über die Academie der schönsten Künste: Die Academie der schönsten Künste wurde im Jahr 2000 gegründet und wird vom Inhaber, dem Team, aber auch den Gästen liebevoll ACA genannt. Eine originelle Einrichtung in Restaurant und Bar, der idyllische Biergarten mitten in Stuttgart – nach wie vor ein echter Geheimtipp – und viele treue Stammgäste, die auch wegen Inhaber André Divanach und seinem Team ihren Weg an den Charlottenplatz finden, machen das außergewöhnliche Restaurant und Café in Stuttgart Mitte zusammen mit dem ACA-Team zu dem, was es ist: Die Academie der schönsten Künste. RUND ZUM FEIERN! SEMINARTIPP Sie möchten wissen, wie Sie eine Sanierung erfolgreich durchführen können? Dann besuchen Sie unser Seminar „Praxis-Wissen Sanierung“ am 1.03. und 01.04. 2025!
3. Bodensee Rechtstage 10. – 11.04.2025, Konstanz Professionelle Liquiditätsplanung in Krise und Insolvenz 28.04.2025, online Leasing & Insolvenz 30.04.2025, online T E R M I N E APRIL 2025
Bilanzanalyse in Sanierungs- & Insolvenzfällen 07.05.2025, online Die Schlussrechnungsprüfung 12.05.2025, online Basiswissen Insolvenzrecht 15.05.2025, online Erfolgreiche Zwangsversteigerung von Immobilien in der Praxis 20.-21.05.2025, online Teilungsversteigerung 22.05.2025, online Insolvenzanfechtung vermeiden und abwehren 04.06.2025, online MAI – JUNI 2025
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