Krise & Chance März 2025

KRISE CHANCE präsentiert von März 2025 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz TEIL 2 VON „Erfolgsfaktor Sanierung“ INSOLVENZGELD: ALLES ANDERE ALS STANDARD

TICKER Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland und auf europäischer sowie internationaler Ebene. Die GKV-Vorstandsvorsitzende Dr. Doris Pfeiffer stellte Ende Januar in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa die finanzielle Situation der Pflegeversicherung drastisch und dramatisch dar, die sich trotz gerade erhöhter Beiträge (weiter) in Finanznöten befindet: „Für 2026 reicht das dann keinesfalls mehr!“ Das Finanzierungsproblem sei laut Pfeiffer mit den Beitragserhöhungen aber nicht gelöst, sondern lediglich aufgeschoben worden. Die Situation spitze sich bereits zu: „Wenn nach der Wahl die neue Bundesregierung nicht sehr rasch handelt und Maßnahmen zur finanziellen Stabilität ergreift, steht die Pflegeversicherung im nächsten Jahr vor einer existenziellen Krise.“ Aber nicht nur Regierungen, sondern auch Geschäftsleiter von Unternehmen sollten das Vermeiden von Finanzierungsproblemen im Blick haben – gerade, weil Unternehmen bei einer Liquiditätslücke nicht die Möglichkeit haben, (Pflege-)Beiträge zu erhöhen oder auf einen Zuschuss aus Steuergeldern hoffen zu können. Zudem droht Geschäftsleitern eine strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung, wenn sie nicht rechtzeitig handeln, und die Insolvenzantragspflicht gilt seit dem Jahreswechsel 2023/2024 wieder in vollem Umfang. Doch ab wann hat ein Unternehmen so große Finanzierungsprobleme, dass es zahlungsunfähig und/oder überschuldet ist? Das stellen Stefan Höge und René Schmidt von Schultze & Braun in ihrem Beitrag „Finanzielle Schieflage und Haftungsrisiken: Welche Punkte Geschäftsleiter bei der Zahlungsunfähigkeit beachten sollten“ auf dem Blog der Kanzlei dar. Die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zum Jahreswechsel 2024/2025 wirft zudem ein spezielles Schlaglicht auf das SozialversicherungsHaftungsdilemma. Thomas Dömmecke von Schultze & Braun erläutert im Titelthema der Dezember-­ Ausgabe 2024 von Krise & Chance, worauf Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang achten sollten. FÜR 2026 REICHT DAS DANN KEINESFALLS MEHR!

Am Aschermittwoch ist alles vorbei – so lautet der Titel des bekannten Karnevalslieds von Komponist Jupp Schmitz und Texter Hans Jonen. Aber keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser: Auch wenn der Aschermittwoch dieses Jahr auf den 5. März fällt und im Anschluss daran die Fastenzeit beginnt, müssen Sie nicht auf die März-Ausgabe von Krise & Chance verzichten – ganz im Gegenteil. Gleichwohl haben wir in dieser Ausgabe ein Titelthema, das durchaus etwas mit der Fastenzeit und dem Fasten zu tun hat. Konkret geht es um das Insolvenzgeld, das Mitarbeitende von Unternehmen erhalten, wenn diese gezwungen sind, den Gürtel im Zuge der Sanierungsbemühungen finanziell enger zu schnallen. Im Interview sprechen Antonie Jäger von der NATIONAL-BANK und Alexander Eggen von Schultze & Braun über die zahlreichen Facetten dieses Sanierungsinstruments und seine zunehmende Bedeutung bei Sanierungen – nicht nur, aber gerade auch, da der anhaltende große Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen natürlich auch dazu führt, dass mehr Insolvenzgeld an Mitarbeitende von insolventen Unternehmen ausgezahlt wird. Ausgezahlt hat sich auf jeden Fall auch das Gespräch mit den beiden Insolvenzgeld-Experten, und der Interviewtitel „Alles andere als Standard“ bezieht sich nicht nur auf das Thema, sondern auch auf die Länge des Interviews, das insgesamt vier Seiten von Krise & Chance umfasst. Die nächste Neuerung in Krise & Chance, nach dem Beginn unserer neuen Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“ in der ersten Ausgabe des Jahres 2025, deren zweiten Teil Sie in dieser Ausgabe finden. Dieses Mal stehen mit der Gießereigruppe Gienanth eine energieintensive Branche und die Herangehensweise an den M&A-Prozess im Zuge einer GruppenSanierung im Fokus. Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun, der die Sanierung der Gienanth-Gruppe als Restrukturierungsberater und Generalbevollmächtigter federführend gesteuert hat und Prof. Dr. Artur M. Swierczok und Joachim Ponseck von Baker McKenzie, die für den M&A-Prozess verantwortlich zeichneten, zeigen anhand der Neuaufstellung der GienanthGruppe, welche Möglichkeiten es gibt, einer wirtschaftlichen Krise zu begegnen und sie zu bewältigen – und welche Bedeutung dabei das Zusammenspiel von Eigenverwaltung und rechtlicher Beratung und Begleitung des M&A-Prozesses hat. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Ihr Tobias Hirte E D I T O R I A L

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Ende Januar (30.1.) die fünfte Zinssenkung in Folge vollzogen. Und das dürfte mit dem Blick auf das Gesamtjahr 2025 sehr wahrscheinlich nicht die letzte gewesen sein, während die US-Notenbank eine Zinspause einlegt. Für Unternehmen sind die Zinssenkungen der EZB von großer Bedeutung, da diese Änderung für sie wirtschaftlich von Nachteil sein kann. Denn durch niedrigere Zinsen steigen die finanziellen Aufwendungen für die Verpflichtungen, mit denen sie die Pensionszusagen für ihre Mitarbeitenden abdecken, ordnet Alexander von Saenger von Schultze & Braun, die Auswirkungen im Interview „Handlungsbedarf für Unternehmen bei den Pensionsverpflichtungen“ auf dem Blog der Kanzlei ein. Zudem erläutert der Fachanwalt für Arbeitsrecht darin den Handlungsbedarf und die Möglichkeiten für Unternehmen. Ein weiteres Thema, bei dem Vorsorge wichtig ist, sind Betriebsrenten und die betriebliche Altersvorsorge (bAV). Grundsätzlich ist eine betriebliche Altersvorsorge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine gute Sache. Wichtig ist jedoch: Im Fall einer notwendigen Unternehmenssanierung müssen die Verantwortlichen die betriebliche Altersvorsorge ihrer Betriebsrentner und Anwärter frühzeitig in den Blick nehmen. Seraphim Ung Kim und Siegfried Flogaus, ebenfalls Fachanwälte für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun, erläutern in ihrem Beitrag „Insolvenz-Vorsorge für die betriebliche Altersvorsorge“ auf dem Blog der Kanzlei auf Basis ihrer Praxiserfahrung, worauf dabei zu achten ist. ZINSSENKUNG DIE FÜNFTE! Foto: olrat/AdobeStock TICKER

Mit ihrer Beförderung schreiben Laura Müller und der US-Rennstall Haas im Januar 2025 Formel 1- Geschichte und sorgen für Schlagzeilen. Renningenieure haben in der Formel 1 eine Schlüsselrolle. Sie arbeiten eng mit den Fahrern zusammen, während des Rennens kommunizieren sie über den Teamfunk und überwachen die Gesamtleistung des Autos. Müller vertiefe sich in Probleme und suche nach Lösungen, die nicht auf der Hand lägen, begründet Haas-Teamchef Ayao Komatsu die Beförderung Müllers. Sich mit Problemen auseinanderzusetzen und Lösungen zu suchen, die nicht auf der Hand liegen, spielt auch beim Thema internationaler Vermögensarrest und Schadenersatz eine wichtige Rolle. So sind etwa die richtige Wahl von Ort, Zeit und Gegenstand eines Arrests oder einer Pfändung nicht zu unterschätzende Erfolgsfaktoren - und auch hier gibt es eine Verbindung zur Formel 1-Geschichte und Schlagzeilen rund um den Rennstall Haas. Wer wissen will, worum es dabei geht, sollte das Interview „Schadenersatz: Recht haben – Geld bekommen“ mit Dr. Michael Rozijn und Dr. Dirk Herzig von Schultze & Braun auf dem Blog der Kanzlei lesen. Die beiden sprechen darin aber nicht nur über Formel 1-Geschichte, sondern auch über gegroundete Kronprinzen und staatliche Schikane, sondern auch darüber, wie wichtig es ist, die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsystems zu kennen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – sei es auf der Rennstrecke oder im Gericht. RECHT HABEN – GELD BEKOMMEN Jeder zweite für den Geschäftsklimaindex des ifo Institut befragte Selbständige (50,5%) klagte im Januar 2025 über zu wenig Aufträge. In der Gesamtwirtschaft liegt dieser Anteil um fast zehn Prozentpunkte niedriger. „Die wirtschaftliche Durststrecke bei den Selbständigen hat sich weiter zugespitzt“, fasst ifo-Expertin Katrin Demmelhuber die aktuelle Situation zusammen. „Der Auftragsmangel bleibt ein zentrales Problem.“ Fakt ist: Das Geschäftsklima für die Selbständigen und Kleinstunternehmen hat sich im Januar 2025 erneut verschlechtert. Daher wird es sehr wahrscheinlich auch weiterhin mehr Insolvenzen von Selbständigen und Einzelunternehmern geben, bei denen die Betroffenen ihre selbständige Geschäftstätigkeit aufgeben wollen oder müssen. Und gerade in diesem Zusammenhang müssen sie aufpassen, nicht in eine Gesetzeslücke im Einkommensteuergesetz zu fallen. Die Besteuerung sogenannter Sanierungsgewinne kann dabei den finanziellen Neustart der ehemals Selbständigen verhindern. Mit entsprechender Vorsorge kann das aber vermieden werden. Wie diese Vorsorge aussehen kann und worauf Selbständige dabei – aber am besten bereits vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit – achten sollten, erläutert Alexander Eggen von Schultze & Braun im Interview „Sanierungsgewinne mit existenzieller Bedeutung“ auf dem Blog der Kanzlei. JEDEM ZWEITEN SELBSTÄNDIGEN FEHLEN AUFTRÄGE!

INSOLVENZGEL ANDERE ALS ST T I TEL

LD: ALLES TANDARD

Das Insolvenzgeld ist im Rahmen einer Sanierung ein essenzieller Faktor und gehört zusammen mit der sogenannten Vorfinanzierung zu den Standardinstrumenten in Insolvenzverfahren. Antonie Jäger, Leiterin des Teams Insolvenzgeldvorfinanzierungen der NATIONAL-BANK und Alexander Eggen, Leiter des Frankfurter Standorts von Schultze & Braun erläutern, warum trotzdem jeder Fall individuell betrachtet werden muss und welche Besonderheiten und Entwicklungen es beim Insolvenzgeld gibt. Frau Jäger, Herr Eggen, Sie haben bei Ihrer Arbeit regelmäßig mit den Bestimmungen zum Insolvenzgeld und deren praktischer Auslegung und Umsetzung zu tun. Was ist das Besondere daran? Eggen: Das Insolvenzgeld stellt für die Stabilisierung des Geschäftsbetriebs und die Neuaufstellung eines Unternehmens einen großen Vorteil dar. Das Unternehmen kann bis zu drei Monate ohne Personalkosten wirtschaften und sich ein finanzielles Sanierungspolster erarbeiten. Dass dies möglich ist, ist ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor. Denn im eröffneten Verfahren muss das Unternehmen wieder unter Vollkosten operieren und die Löhne und Gehälter müssen wieder aus dem laufenden Geschäftsbetrieb erwirtschaftet werden. Wenn dieser Schritt erfolgreich geschafft wurde, ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg aus dem Verfahren erreicht. Man kann also durchaus sagen: Die Sanierungschancen hängen eng mit dem Insolvenzgeldzeitraum zusammen. Hinzu kommt: Wenn man den Mitarbeitenden klar machen kann, dass ihre Löhne und Gehälter für die nächsten drei Monate durch das Insolvenzgeld gesichert sind, ist das zu Beginn eines Verfahrens eine wichtige und positive Botschaft. Denn die Antwort auf die Frage „Bekomme ich jetzt noch mein Gehalt?“ gehört zu den wichtigsten arbeitsrechtlichen Aspekten in einer Sanierung. Jäger: Der Anspruch der Mitarbeitenden auf das Insolvenzgeld entsteht erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – in der Regel drei Monate nach dem Insolvenzantrag. Mitarbeitende erhalten das Insolvenzgeld rückwirkend für diesen Zeitraum. Hier setzt das Instrument der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes an, mit dem im vorläufigen Verfahren monatliche Auszahlungen an die Mitarbeitenden T I TEL

möglich sind. Denn mit dem Blick auf das Unternehmen gilt es, die Abwanderung von Mitarbeitenden, insbesondere der Leistungsträger, zu verhindern. Dieses Austrittsrisiko potenziert sich in Zeiten des Fachkräftemangels. Mit dem Blick auf die Belegschaft ist es wichtig, das Motivationsrisiko zu begrenzen, insbesondere durch eine ununterbrochene Vergütung schon in der Zeit des vorläufigen Verfahrens. Es zeigt sich, dass die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes von großer Bedeutung ist. Wie läuft eine Vorfinanzierung ab? Jäger: Als vorfinanzierende Bank gewähren wir dem insolventen Unternehmen die Möglichkeit, die Löhne und Gehälter in Höhe des zu erwartenden Insolvenzgelds regulär weiter zu bezahlen. Die Mitarbeitenden erhalten ihre Vergütung also zu den arbeitsvertraglich vereinbarten Zeitpunkten. Im Gegenzug übertragen sie ihren Gehalts- beziehungsweise Insolvenzgeldanspruch als Sicherheit an uns. Das klingt nach einem vergleichsweise standardisierten Produkt. Jäger: Das trifft beim Insolvenzgeld und seiner Vorfinanzierung im Grundsatz zu. Allerdings unterscheiden sich die Insolvenz- und Sanierungsverfahren in der Praxis teilweise deutlich, sodass jedes einzelne individuell geplant und umgesetzt werden muss. Wir reden hier ja zum Beispiel von Unternehmen mit mehreren Hundert oder Tausend Arbeitnehmern oder von Konzernen oder Unternehmensgruppen, bei denen gleich mehrere Gesellschaften einen Insolvenzantrag gestellt haben. Nach „Schema F“ lässt sich aber auch eine Insolvenzgeldvorfinanzierung nicht umsetzen. Dafür bedarf es eines umfänglichen insolvenzrechtlichen und bankbetrieblichen Spezialwissens sowie langjähriger Erfahrung in den markt- und marktfolgenden Einheiten. Schließlich müssen bei der Bereitstellung einer Vorfinanzierung neben dem Insolvenzverwalter zahlreiche weitere Beteiligte mit durchaus unterschiedlichen Interessen eingebunden werden – und das in einem sehr kleinen Zeitfenster. Dafür benötigt man hochprofessionelle Spezialisten, über die wir als in diesem Segment marktführendes Kreditinstitut verfügen.

T I TEL Welche Lohn- und Gehaltsanteile sind insolvenzgeldfähig? Eggen: Das Nettogehalt sowie Überstunden aus dem Insolvenzgeldzeitraum, der Nettoanteil der Zuschläge gemäß Tarif- oder Arbeitsvertrag, Fahrgeld, vermögenswirksame Leistungen des Arbeitsgebers, unter bestimmten Voraussetzungen auch Sonderzahlungen, wie zum Beispiel Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt oder Provisionen. Jäger: Das Insolvenzgeld wird aber nicht grenzenlos gezahlt. Es ist durch die Beitragsbemessungsgrenze für die Renten- und Arbeitslosenversicherung gedeckelt. Der Plafond liegt seit 1. Januar 2025 bundesweit einheitlich bei 8.050 Euro brutto. Gibt es Fälle, in denen eine Vorfinanzierung nicht möglich ist? Eggen: Wenn der Geschäftsbetrieb schon länger eingestellt ist und die Mitarbeitenden bereits einige Zeit auf ihr Geld warten, wird es keine Vorfinanzierung geben. In einem solchen Fall sind die Sanierungschancen allerdings auch sehr gering, was einmal mehr zeigt, wie wichtig es ist, Krisenanzeichen frühzeitig zu erkennen und einen Insolvenzantrag nicht erst um zehn nach zwölf zu stellen. Es gibt aber auch Fälle, in denen eine erste Sanierung nicht so nachhaltig war, dass die Unternehmen danach den erneuten Gang zum Insolvenzgericht vermeiden konnten. Die Folge ist eine Zweitinsolvenz. Wenn rechtlich gesehen in einem solchen Fall das erste Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann das zur mitunter unüberwindlichen Hürde beim Zweit-Insolvenzgeld werden – auch wenn eine solche Entscheidung bei den betroffenen Mitarbeitenden nachvollziehbarer Weise auf wenig Gegenliebe stößt. Wie sieht denn der Insolvenzgeld-Idealfall aus? Jäger: Der Idealfall ist und bleibt der geordnete Ablauf des vorläufigen Verfahrens, die Eröffnung zum vorgesehenen Zeitpunkt und die vollumfängliche Auszahlung der belegten Insolvenzgeldansprüche durch die Bundesagentur für Arbeit. Soweit schon vor der Eröffnung des Verfahrens im Rahmen einer Sanierung die Übernahme des insolventen Unternehmens durch einen Investor erreicht werden kann, steht einer Rückzahlung der Ansprüche aus dem Unternehmen heraus natürlich nichts entgegen. Letztlich wird in solchen Fällen die Insolvenzgeldkasse der Bundesagentur finanziell entlastet.

Sie sprechen die Insolvenzgeldkasse an. Mehr Insolvenzen bedeuten auch mehr Insolvenzgeld. Spiegelt sich der Anstieg der Insolvenzzahlen auch im ausgezahlten Insolvenzgeld wider? Jäger: Im Jahr 2024 ist das ausgezahlte und vorfinanzierte Insolvenzgeld nach Angabe der Bundesagentur für Arbeit im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Dies hat zur Folge, dass die Beiträge der Unternehmen im Rahmen der Insolvenzgeldumlage aller Voraussicht nach steigen werden. Die Bundesagentur für Arbeit verwaltet das Insolvenzgeld, die Unternehmen finanzieren es. Die Umlage ist gesetzlich auf 0,15 Prozent der rentenversicherungspflichtigen Löhne und Gehälter eines Unternehmens festgeschrieben. 2023 und 2024 betrug sie per Verordnung des Bundesarbeitsministeriums ausnahmsweise nur 0,06 Prozent. Eggen: In den Jahren der Corona-Pandemie war die Zahl der Insolvenzen wegen Sonderregeln und Staatshilfen für Unternehmen außergewöhnlich niedrig, sodass die jährlichen Ausgaben für Insolvenzgeld durch hohe Rücklagen mehr als abgedeckt waren. Das Bundesministerium für Arbeit hatte die Insolvenzgeldumlage daher durch eine Verordnung reduziert. Doch die stark gestiegene Zahl an Insolvenzen und die erhöhten Ausgaben für Insolvenzgeld haben die Situation verändert. Die Interviewpartner: Antonie Jäger leitet seit 2008 das Spezialistenteam „IGV“ der NATIONALBANK, bei der sie bereits seit 2003 beschäftigt ist. Dabei verantwortet sie marktseitig die Akquisition, Eröffnung und Bearbeitung von Insolvenzgeldvorfinanzierungen einschließlich der Führung von Treuhandkonten. Alexander Eggen ist Rechtsanwalt bei Schultze & Braun. Er leitet den Frankfurter Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei und wird in der RheinMain-Region an unterschiedlichen Gerichten als Insolvenzverwalter bestellt. Eines seiner Spezialgebiete ist die Unternehmenssanierung.

SER I E Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Eisen-Gießereien sind in Deutschland alles andere als einfach – besonders die hohen Energie- und Rohstoffpreise machen ihnen zu schaffen. Die Neuaufstellung der Gienanth-Gruppe zeigt, welche Möglichkeiten es gibt, einer wirtschaftlichen Krise zu begegnen und sie zu bewältigen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war dabei die professionelle Herangehensweise an den M&A-Prozess für die Gruppen-Gesellschaften. Der zweite Teil unserer Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“. Die hohen Preise für Energie, aber auch für Rohstoffe, waren ein maßgeblicher Grund für die finanzielle Schieflage der traditionsreichen Eisen-Gießerei-Gruppe Gienanth, die Ende 2023 für ihre insgesamt fünf Gesellschaften mit rund 1.000 Mitarbeitenden eine Sanierung in Eigenverwaltung beantragt hat. Der Gienanth-Hauptsitz im rheinland-pfälzischen Eisenberg geht auf ein 1795 gegründetes Hammerwerk zurück. Die Gruppe mit weiteren Standorten in Schwandorf und Kulmbach (beide Bayern) sowie Chemnitz hatte sich auf die Herstellung und Veredelung hochwertiger Eisengussteile im Maschinen- und Handformverfahren spezialisiert. Zukunftsperspektiven für Mitarbeitende, Standorte und Regionen „Zu den Mehrbelastungen durch die Energie- und Rohstoffpreise kamen Umsatzrückgänge durch den sanktionsbedingten Wegfall des russischen Marktes nach Beginn des Überfalls auf die Ukraine sowie aus der Corona-Zeit – Stichwort „Lieferkettenprobleme“ – und der Halbleiterkrise im Automobilsektor, der zu den Hauptkundengruppen zählte und nach wie vor zählt hinzu“, sagt Dr. Jürgen Erbe von Schultze & Braun, der die Sanierung der Gienanth-Gruppe als Restrukturierungsberater und Generalbevollmächtigter federführend gesteuert hat. „Die Formulierung in der Gegenwart habe ich dabei bewusst gewählt. Denn im Zuge der Sanierungsbestrebungen konnten für die Gesellschaften und Standorte der Gruppe bis August 2024 individuelle Lösungen gefunden werden, die sich mit Zukunftsperspektiven für die Mitarbeitenden, die Standorte und die Regionen zusammenfassen lassen.“ So wurden die Gießerei am Stammsitz in Eisenberg, INDIVIDUELL Über Gienanth: Die Gienanth-Gruppe hatte sich auf die Herstellung und Veredelung hochwertiger Eisengussteile im Maschinen- und Handformverfahren spezialisiert. Der Unternehmenshauptsitz in Eisenberg (Pfalz) wurde 1795 als Hammerwerk gegründet. Mit insgesamt rund 1000 Mitarbeitenden erwirtschaftete die Unternehmensgruppe einen Umsatz von rund 300 Millionen Euro pro Jahr. Eigenverwaltung: Das Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung erlaubt einem Unternehmen die Sanierung in eigener Regie. Die Geschäftsführung bleibt voll handlungsfähig und kann uneingeschränkt agieren. Beaufsichtigt wird sie von einem vom Gericht bestellten Sachwalter. Ziel einer Eigenverwaltung ist die Sanierung des Unternehmens. Beraten und unterstützt wird die Geschäftsführung dabei von Sanierungsexperten.

die Gienanth Zaigler (Kulmbach) und die KernWerk (Chemnitz) mit insgesamt rund 650 Arbeitsplätzen im Juli beziehungsweise September 2024 Teil der DiHAG Integrated Foundry Group. Die indische Craftsman Automation, ein weltweit führendes Engineering- und Fertigungsunternehmen, hat im August 2024 den Geschäftsbetrieb der Fronberg Guss (Schwandorf, 150 Arbeitsplätze) übernommen. Die Gruppengesellschaften in Österreich und Tschechien, die nicht Teil der deutschen Eigenverwaltungsverfahren waren, wurden im Juli 2024 an die österreichische NMKS Holding verkauft. Das Ziel erreichen Der ursprünglich angestrebte Verkauf der gesamten Gruppe an einen Investor kam nicht zustande, weil es an einem konkurrenzfähigen Angebot dazu fehlte. „Vor diesem Hintergrund zeigte sich aber eine weitere Stärke der Eigenverwaltung. Sie eignet sich auch dafür, eine Sanierungsperspektive für eine Unternehmensgruppe zu realisieren – selbst wenn das bedeutet, dass deren operative Struktur und wirtschaftlichen Verbindungen neu ausgerichtet werden müssen“, sagt Erbe. „Bei Gienanth war es so, dass die einzelnen Gesellschaften operativ grundsätzlich gut aufgestellt waren. Durch die Gruppenbeziehungen mussten sie jedoch in eine gemeinsame Sanierungsstrategie einbezogen werden, um die Zukunftsaussichten für alle Gruppengesellschaften gleichermaßen zu erhalten und zu sichern, was letztlich durch die Verkäufe an die unterschiedlichen Übernehmer erreicht wurde.“ Den M&A-Prozess für die Gesellschaften der GienanthGruppe steuerten Prof. Dr. Artur M. Swierczok und Joachim Ponseck von Baker McKenzie. „Im Zuge des Investorenprozesses ging es für uns auch darum, die zum Teil historisch gewachsenen operativen und rechtlichen Strukturen und Verflechtungen bei den Produktionsverfahren und zwischen den verschiedenen Gesellschaften zu analysieren und teilweise neu zu strukturieren. Der Verkauf, aber auch der Kauf einer Gesellschaft aus einer Insolvenz ist immer etwas Besonderes. Bei einem Übernehmer aus dem Ausland – im Fall von Craftsman sogar außerhalb der EU – geht es neben dem Ergebnis der Verhandlungen auch darum, die Anforderungen zu erfüllen, die an die Transaktionssicherheit gestellt werden. Für die Übernahme von Fronberg Guss musste Craftsman erst einmal eine gesellschaftsrechtliche Grundstruktur in Europa aufsetzen und zahlreiche regulatorische Hürden aus dem Weg räumen. Dass sie das gemacht haben, zeigt auch, wie viel Potential sie im Standort sehen.“ Das Beispiel Gienanth zeigt: Auch Unternehmen aus energieintensiven Branchen, die sich in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Krise befinden oder absehbar darauf zusteuern, haben im Insolvenz- und Sanierungsrecht mehrere Möglichkeiten, Verfahren und Instrumente, eine solche Sondersituation zu meistern. Ein Sanierungsverfahren kann die Möglichkeiten für einen guten Neustart schaffen, ist aber gleichzeitig der Ausgangspunkt einer mit viel Arbeit verbundenen und im Anschluss hoffentlich erfolgreichen Transformation durch die Übernehmer – gerade in einer herausfordernden Branche wie dem Eisenguss. Im ersten Teil der Serie „Erfolgsfaktor Sanierung“ geht es um die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Sach- und Eigenverwaltung im Verfahren von Lysoform, einem traditionsreichen Hersteller von Desinfektionsmitteln und Antiseptika. LE LÖSUNGEN

T E R M I N E MÄRZ – APRIL 2025 Cash-Pooling und Unternehmensverträge – Tipps und Strategien zur Haftungsvermeidung 21.03.2025, online Basiswissen Insolvenzrecht für SachbearbeiterInnen 26.03.2025, online Betriebliche Altersversorgung in der Insolvenz 28.03.2025, online Praxis-Wissen: Sanierung 31.03.2025, online 3. Bodensee Rechtstage 10. – 11.04.2025, Konstanz Leasing & Insolvenz 30.04.2025, online Professionelle Liquiditätsplanung in Krise und Insolvenz 28.04.2025, online

MAI 2025 Bilanzanalyse in Sanierungs- & Insolvenzfällen 07.05.2025, online Die Schlussrechnungsprüfung 12.05.2025, Seminar Basiswissen Insolvenzrecht 15.05.2025, online Erfolgreiche Zwangsversteigerung von Immobilien in der Praxis 20.05.2025, Lehrgang Update Insolvenzanfechtungsrecht 23.05.2025, online

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