Krise Chance präsentiert von Dezember 2024 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Steigende Beiträge und finanzielle Risiken
Am 11. November hat nicht nur, aber eben gerade auch in den Karnevalshochburgen, die fünfte Jahreszeit begonnen. Angesichts des Auseinanderbrechens der Ampel-Koalition am 6. November konnte der Eindruck aufkommen, dass in Berlin die tollen Tage bereits vorab angebrochen sind. Es kommt einem sogar das Aschermittwochs-Karnevalslied von Jupp Schmitz in den Sinn: „Die Schwüre von Treue, sie brechen entzwei. Von all deinen Küssen, darf ich nichts mehr wissen. Wie schön es auch sei, dann ist alles vorbei“. Aber auch wenn sich diese Zeilen natürlich eher auf die (flüchtige) Liebelei in der fünften Jahreszeit als auf das Auseinanderbrechen der rotgrün-gelben Regierung beziehen, so zeigen sie doch, dass es keine Garantie dafür gibt, dass eine Verbindung für immer hält. Das ist in Koalitionen nicht anders als im Wirtschaftsleben – mitunter trennt man sich zudem nicht im Guten – sei es unter Koalitionären, Gesellschaftern oder Geschäftspartnern. Um Schillers Lied an die Glocke zu zitieren: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ Damit die Reu zumindest im Wirtschaftsleben nicht zu lang wird, ist es gut, wenn man sich bei Zeiten auf den Fall der Fälle vorbereitet hat. Wie das im Fall eines (notwendigen) Gesellschafterausschlusses oder der Insolvenz eines Geschäftspartners aussieht, stellen Dr. Ludwig J. Weber und Thomas Dömmecke von Schultze & Braun auf dem Blog der Kanzlei dar. Ticker (Politischer) Aschermittwoch
2024 hat die Insolvenzordnung ihr 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Das haben wir in der ersten Jahreshälfte in Krise & Chance in mehreren Ausgaben und aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und eingeordnet – sei es mit dem Fokus auf den Sanierungsgedanken als zentrales Element der Insolvenzordnung, ihren permanenten Wandel, der aber auch die Restrukturierungs- und Sanierungsbranche umfasst, das Spannungsfeld zwischen Kalkül und Nachhaltigkeit, in dem sich Insolvenzverfahren und Sanierer mitunter bewegen müssen, die arbeitsrechtliche Privilegierung oder die Zukunft des Insolvenzverfahrens. Die letzte Ausgabe dieses besonderen Jahres ist aber nicht nur ein guter Zeitpunkt, um einen Blick zurückzuwerfen. Vielmehr bietet es sich gerade in unruhigen Zeiten wie diesen an, den Blick nach vorne zu richten – besonders, wenn dieser Ausblick mit etwas Positivem und Beständigkeit verbunden ist. Natürlich weiß auch ich nicht, was 2025 konkret für uns alle bereithalten wird. Was ich aber ganz sicher weiß, dass wir für Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch im kommenden Jahr wieder jeden Monat – beginnend mit der Februar-Ausgabe – drei Themen rund um Restrukturierungen, Sanierungen und Insolvenzen einordnen werden. So, wie wir das bereits seit über zehn Jahren und auch in dieser Ausgabe von Krise & Chance wieder gemacht haben. Die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zum Jahreswechsel wirft ein Schlaglicht auf die Geschäftsleiterhaftung – im Speziellen auf das Sozialversicherungs-Haftungsdilemma. Worauf Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang achten sollten, erläutert Thomas Dömmecke von Schultze & Braun in seinem Beitrag „Steigende Beiträge und finanzielle Risiken“. Die nach wie vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen sorgen dafür, dass für Unternehmen mitunter kein Weg an der Kündigung von Mitarbeitenden vorbeiführt. Wie Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen müssen, betriebsbedingte Kündigungen rechtssicher und wirksam aussprechen und welche Möglichkeiten es gibt, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, zeigt Franz Ort von Schultze & Braun in seinem Beitrag „Rechtssicher und wirksam kündigen“. Nicht nur, aber eben gerade auch auf internationaler Ebene spielen die richtige Wahl von Ort, Zeit und Gegenstand eines Arrests oder einer Pfändung eine maßgebliche Rolle. Was die Erfolgsfaktoren bei Vermögensarrest und Schadenersatz sind, ordnen Dr. Michael Rozijn und Dr. Dirk Herzig von Schultze & Braun in ihrem Beitrag „Recht haben – Geld bekommen“ ein. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre und im Namen der gesamten Redaktion eine besinnliche Adventszeit, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l
Der aktuelle „Risiko- und Kreditkompass“ der Schufa zeigt, dass immer mehr Menschen bei Ratenzahlungen auf Kleinkredite zugreifen. „Buy-Now-Pay-LaterAngebote werden immer stärker nachgefragt“, sagt Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schroeder. Wer in Deutschland einen Kredit aufnehmen möchte, muss in der Regel zunächst eine Kreditwürdigkeitsprüfung durchlaufen. Teil davon ist häufig eine Bonitätsauskunft einer Auskunftei, wie etwa der Schufa. Klein- und Kurzzeitkredite bis 200 Euro sind von einer solchen Prüfung bislang noch ausgenommen. Bis zum November 2025 muss allerdings eine EU-Verbraucherkreditrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, die vorsieht, auch bei der Vergabe solcher Kredite eine Prüfung voranzustellen. Im Zusammenhang mit Bonitätsauskünften ist für Verbraucher, aber gerade auch für Banken und Unternehmen eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Risikomanagement Der Agrarkonzern BayWa befindet sich in einer Krisensituation. Mitte November wurde bekannt, dass der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von BayWa aus seinem Amt ausscheiden wird. Auch wenn die Hintergründe zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe von Krise & Chance noch nicht bekannt sind, wirft die Entwicklung ein Schlaglicht auf die Anforderungen an Aufsichtsräte in Krisensituationen. Grundsätzlich gilt: Gerade in einer Krise des Unternehmens sind die Anforderungen an die Informations- und Sorgfaltspflicht für Aufsichtsräte besonders hoch. Hinzu kommt, dass es für Aufsichtsräte zahlreiche Haftungsrisiken gibt, wenn sie ihren Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht oder nur unzureichend nachkommen. Im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun erläutert Thomas Dömmecke, Experte für die Abwehr von krisen- und insolvenzspezifischen Haftungssachverhalten bei der bundesweit vertretenen Kanzlei, die Punkte, die Aufsichtsräte in diesem Zusammenhang im Blick haben sollten. Wichtig ist zudem, dass bei Unternehmen in Krisensituationen nicht nur für Aufsichtsräte sowie Rechtsanwälte und Steuerberater, die Unternehmen beraten, sondern auch für Geschäftsleiter besondere Anforderungen und Haftungsrisiken zum Tragen kommen – gerade mit Blick auf das Sozialversicherungs-Haftungsdilemma. Haftungsrisiken Ticker
aus dem Dezember 2023 für das Risikomanagement nach wie vor von großer Relevanz. Der EuGH hat entschieden, dass eine nach einer Privatinsolvenz erteilte Restschuldbefreiung nach sechs Monaten in einer Bonitätsauskunft nicht mehr auftauchen darf. Eine Entscheidung, die für Rechtssicherheit sorgt und grundsätzlich zu begrüßen ist. In seinem Beitrag auf dem Blog von Schultze & Braun erläutert René Schmidt vom Leipziger Standort der Kanzlei, warum die Rechtssicherheit für Schuldner in diesem Fall aber das Risikomanagement von Unternehmen erschwert und sie insbesondere mit einem verstärkten Forderungsmanagement und einer auf das Sicherungsbedürfnis angepassten Vertragsgestaltung versuchen müssen, ihr Ausfallrisiko zu minimieren. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet laut einem Bericht der Wirtschaftswoche bis zum Jahresende beim Insolvenzgeld mit einem Anstieg um fast 50 Prozent (gegenüber 2023) auf fast 1,75 Milliarden Euro. Eine (weiter) steigende Tendenz zeichnet sich auch bei den Insolvenzzahlen ab. „Die Normalisierung bei den Unternehmensinsolvenzen führt natürlich auch dazu, dass mehr Insolvenzgeld an Mitarbeitende von insolventen Unternehmen ausgezahlt wird. Die Insolvenzgeldumlage – über die alle Unternehmen in Deutschland das Insolvenzgeld finanzieren – liegt aber auch in diesem Jahr mit 0,06 Prozent weit unterhalb des eigentlich vorgesehenen Wertes von 0,15 Prozent. Grund ist, dass die Rücklagen für Insolvenzgeld bislang die jährlichen Aufwendungen überstiegen haben. Die Umlage lag bereits 2023 bei 0,06 Prozent, 2022 betrug die Prozentzahl der Umlage 0,09 Prozent. Mit dem Blick auf die konjunkturelle Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Insolvenzgeldumlage im kommenden Jahr höher als diese Werte liegen wird, sagt Rechtsanwalt Alexander Eggen, der Leiter des Frankfurter Standorts von Schultze & Braun. Fakt ist: Jeder kann von der Insolvenz seines Arbeitgebers betroffen sein. Gleichzeitig haben Arbeitnehmer in der Insolvenz eine Sonderstellung. In ihrem Beitrag auf dem Blog von Schultze & Braun ordnet Dr. Elke Trapp-Blocher, Fachanwältin für Arbeitsrecht am Stuttgarter Standort der Kanzlei, die arbeitsrechtlichen Auswirkungen einer Insolvenz ein – für Mitarbeitende, aber gerade auch für Personalverantwortliche. Insolvenzgeld
Steigende Beit und finanziel T i tel
träge lle Risiken
Die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zum Jahreswechsel wirft ein Schlaglicht auf die Geschäftsleiterhaftung – im Speziellen auf das Sozialversicherungs-Haftungsdilemma. Worauf Geschäftsleiter in diesem Zusammenhang achten sollten. Zum 1. Januar soll der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte steigen. Ebenfalls steigen – und das im Durchschnitt um 0,8 Prozentpunkte – werden zum Jahreswechsel die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung – bei Angestellten jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern finanziert. Durch die Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge sollen finanzielle Schieflagen bei der Kranken- und der Pflegeversicherung vermieden werden. „Durch die anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen geht es vielen Unternehmen wie der Kranken- und der Pflegeversicherung: Sie befinden sich in einer finanziellen Schieflage oder drohen absehbar in eine zu geraten“, sagt Thomas Dömmecke, Rechtsanwalt am Bremer Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. „Nachvollziehbarerweise versuchen Geschäftsleiter mit allen Mitteln, die finanzielle Schieflage und eine daraus möglicherweise resultierende Insolvenzreife ihres Unternehmens zu beheben. Angesichts der zum Jahreswechsel anstehenden Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge sollten Geschäftsleiter aber die möglichen Haftungsrisiken im Blick haben. Denn dieser Schritt wirft ein Schlaglicht auf die Geschäftsleiterhaftung – gerade, da Geschäftsleiter sich, was die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung betrifft, in einem SozialversicherungsHaftungsdilemma befinden.“ Grundsätzliche Haftung für Zahlungen nach der Insolvenzreife Um dieses Dilemma und seine Bedeutung für Geschäftsleiter greifbar zu machen, ist laut dem Experten für die Abwehr von krisen- und insolvenzspezifischen Haftungssachverhalten zunächst ein Blick auf die generellen Haftungsrisiken für Geschäftsleiter in der Krise des Unternehmens wichtig: Nach § 15b der Insolvenzordnung (InsO) haften Geschäftsleiter grundsätzlich für Zahlungen der Gesellschaft nach Insolvenzreife. Begleicht die insolvente Gesellschaft also eine berechtigte offene Verbindlichkeit, kann ein später eingesetzter Insolvenzverwalter vom Geschäftsleiter verlangen, dass er den Betrag erstattet – und das aus eigener Tasche. Da es oftmals um große Beträge geht, kann eine solche Haftung sehr schnell existenzbedrohende Ausmaße annehmen. T i tel
Geschäftsleiter sitzen haftungstechnisch zwischen den Stühlen Nun kommen wir zum Sozialversicherungs-Haftungsdilemma: Einerseits darf der Geschäftsleiter nach § 15b InsO keine Zahlungen mehr ausführen oder ausführen lassen. Andererseits ist er jedoch nach Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht für die pünktlichen Abgaben an Fiskus und Sozialversicherung verantwortlich und auch hierfür persönlich haftbar. „Geschäftsleiter sitzen in einer solchen Situation also zwischen den Stühlen und können sich haftungstechnisch eigentlich nur zwischen Pest und Cholera entscheiden“, ordnet Dömmecke das Dilemma ein. Hinzu kommt: Wenn ein Geschäftsleiter Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht abführt, droht ihm sogar ein Strafverfahren. Bei der Verletzung steuerrechtlicher Abführungspflichten kann zudem ein Ordnungswidrigkeitsverfahren hinzukommen. „Der Gesetzgeber hat 2022 zwar zumindest einen steuerrechtlichen Ausweg geschaffen. Danach haftet der Geschäftsleiter dann nicht nach steuerrechtlichen Vorschriften, wenn er fällige Zahlungen an den Fiskus unterlässt, aber noch rechtzeitig Insolvenzantrag stellt“, erläutert Dömmecke. „Jedoch hat das Amtsgericht Ludwigshafen mit einer Entscheidung von Mitte Dezember 2022 den steuerlichen Ausweg versperrt. Die Entscheidung besagt, dass die gesetzliche Ausnahmeregelung für Steuerzahlungen nicht auch für Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung gilt. Oder anders formuliert: Sozialversicherungsbeiträge sind keine Steuern. Da bei der Entscheidung des Amtsgerichts Ludwigshafen keine Revision zugelassen war, ist sie – auch wenn es sich ‚nur’ um eine Amtsgerichts-Entscheidung handelt – für Geschäftsleiter von großer Bedeutung.“ Sozialversicherungsbeiträge sind keine Steuern Geschäftsleiter sind mit dem Blick auf die Entscheidung des Amtsgerichts Ludwigshafen, aber auch die finanziellen Haftungsrisiken in einer Krise des Unternehmens, gut beraten, sich professionelle Hilfe zu holen, wenn ihr Unternehmen in einer Krise steckt oder darauf zusteuert. „Andernfalls können eine finanzielle Haftung und mögliche strafrechtliche Folgen drohen – insbesondere, wenn zum Beispiel das Finanzamt oder eine Krankenkasse wegen nicht gezahlter Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge einen Insolvenzantrag gegen das Unternehmen stellt“, sagt Dömmecke. Wichtig ist zudem, dass bei Unternehmen in Krisensituationen nicht nur für Geschäftsleiter, sondern auch für Aufsichtsräte sowie Rechtsanwälte und Steuerberater, die Unternehmen beraten, besondere Anforderungen und Haftungsrisiken zum Tragen kommen. Ab wann ein Unternehmen insolvenzreif ist Seit dem 1. Januar 2024 greift die Insolvenzantragspflicht wieder in vollem Umfang. „Das bedeutet, dass ein Unternehmen nachweisen können muss, dass es die nächsten zwölf Monate durchfinanziert ist, um keinen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen zu müssen“, sagt Alexander Eggen, Rechtsanwalt und Leiter des Frankfurter Standorts von Schultze & Braun. In seinem Beitrag auf dem Blog der Kanzlei erläutert er, worauf Unternehmen achten müssen, um zwölf Monate durchfinanziert zu sein, wann eine Überschuldung droht und was Geschäftsleiter dann machen sollten. Zudem geht er auch auf die Anforderungen und Besonderheiten des zweiten wichtigen Insolvenzgrunds ein, der Zahlungsunfähigkeit.
Rechtssicher und wirksam kündige Thema Die nach wie vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen sorgen dafür, dass für Unternehmen mitunter kein Weg an der Kündigung von Mitarbeitenden vorbeiführt. Doch wie sprechen Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen müssen, betriebsbedingte Kündigungen rechtssicher und wirksam aus und welche Möglichkeiten gibt es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden? Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Anpassungen im Personalbereich vorzunehmen, um den wirtschaftlichen Fortbestand eines Unternehmens sicherzustellen. „Im ersten Schritt können Unternehmen die Zahl der Leiharbeiter verringern, die sie einsetzen oder die Einführung von Kurzarbeit prüfen, um in einem solchen Fall gegenzusteuern – idealerweise lässt sich so ein Personalabbau sogar vermeiden“, sagt Franz Orth, Fachanwalt für Arbeitsrecht am Nürnberger Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun. „Alternativ können Unternehmen beispielsweise Änderungskündigungen, Transfergesellschaften und Outplacement nutzen.“ Wenn betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr zu vermeiden sind – etwa, weil Teams verkleinert werden müssen oder das gesamte Unternehmen saniert werden muss – ist es laut Orth maßgeblich, die genauen Bedingungen und den Umfang dieser Anpassungen mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen – also etwa einem Betriebsrat – zu besprechen. „Gerade bei einer größeren Anzahl an geplanten Kündigungen müssen die gewünschten Maßnahmen gemeinsam verhandelt, konkret ausgearbeitet und in einem sogenannten Interessensausgleich sowie einem Sozialplan vertraglich festgehalten werden“, erläutert der Arbeitsrechtsexperte. Rechtliche Voraussetzungen erfüllen Die unternehmerische Freiheit wird im deutschen Kündigungsschutzrecht erheblich zugunsten der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer eingeschränkt. Dabei ist jeder Kündigungstyp an recht klare rechtliche Vorgaben gebunden und der Arbeitgeber soll ab einer bestimmten Unternehmensgröße und Anzahl von Mitarbeitenden Arbeitsverträge nicht frei nach eigenem Ermessen kündigen können. Erfülle ein Arbeitgeber aber die rechtlichen Voraussetzungen könne er Kündigungen wirksam aussprechen, so Orth. „Wichtig ist dabei, dass Unternehmen den im Kündigungsschutzrecht besonders bedeutsamen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Blick haben. Denn er prägt nicht nur die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern führt auch zu differenzierten Einzelfallbewertungen, die von der Rechtsprechung teils zu Gunsten der Arbeitnehmenden und teils zugunsten der Arbeitgeber angewendet werden.“ In insolventen Unternehmen kommen zusätzlich die besonderen sanierungsarbeitsrechtlichen Regelungen der Insolvenzordnung zum Tragen. Das Risiko von unwirksamen Kündigungen reduzieren Unternehmen sollten bei der Vorbereitung einer oder mehrerer betriebsbedingter Kündigungen unbedingt die rechtlichen Rahmenbedingungen inklusive der aktuellen Rechtsprechung im Blick behalten. Diese werden nicht nur für eine gegebenenfalls erforderliche Betriebsratsanhörung, sondern auch für spätere Gerichtsverfahren relevant. Um das Risiko von
unwirksamen Kündigungen zu reduzieren, ist es daher immer lohnend, sich rechtliche Beratung und Unterstützung holen. „Denn eine unwirksame Kündigung ist für den Arbeitgeber in der Regel sehr kostspielig und kann im Ergebnis zudem organisatorisch aufwändig werden“, sagt Orth. Neben der sozialen Auswahl der zu kündigenden Mitarbeitenden gehören auch die übrige Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie die Darlegung der dringenden betrieblichen Erfordernisse, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen, zu den Faktoren für rechtssichere und wirksame Kündigungen. Ein größerer Personalabbau erfordert zudem eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit. „Fakt ist: Eine gute und sozialverträgliche Vorbereitung der Personalmaßnahme spart im Nachgang Zeit, Geld und Nerven – sowohl auf Seiten der Arbeitnehmenden als auch auf der Arbeitgeberseite“, fasst Orth zusammen. Überalterung der Belegschaft vorbeugen Ein weiterer Aspekt, den Arbeitgeber im Blick behalten müssen: Ein Personalabbau im Rahmen von Restrukturierungen, erst recht während eines Insolvenzverfahrens, kann die demografische Struktur eines Unternehmens substanziell verändern. Denn im Rahmen einer Sozialauswahl muss festgelegt werden, wer unter den vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb am wenigsten schutzwürdig ist. Die dafür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien der Sozialauswahl sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, etwaige Unterhaltspflichten und gegebenenfalls eine Schwerbehinderung beziehungsweise Gleichstellung. „Bei Anwendung dieser Kriterien gelangen Arbeitgeber oftmals zu dem Ergebnis, dass gerade jüngere Arbeitnehmer weniger schutzbedürftig sind und deshalb sie diejenigen sind, die bei betriebsbedingten Kündigungen zuerst ihren Arbeitsplatz verlieren. Allerdings kann, um einer Überalterung der Belegschaft vorzubeugen, die Sozialauswahl innerhalb von definierten Altersgruppen durchgeführt werden“, beschreibt Orth eine Möglichkeit, der Überalterung der Belegschaft bei betriebsbedingten Kündigungen vorzubeugen. Wichtig: Mit der Altersgruppenbildung können – jedenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens – gleichwohl nur bestehende Strukturen proportional erhalten werden. Sie ist grundsätzlich kein Mittel, um bei der Personalstruktur eine vom Status quo abweichende Struktur zu schaffen. Neben dem Ausspruch von Kündigungen können Unternehmen für eine Restrukturierung vielfältige Handlungsoptionen ergreifen. Wichtig ist: Dabei sollte das individuelle Maßnahmenbündel geschnürt werden, das für die Zukunft des konkreten Unternehmens am besten geeignet ist. en Im Interview auf dem Blog der Kanzlei erläutert Franz Orth, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun zudem, warum ein Interessensausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern beim Thema Kündigungen eine wichtige Rolle spielt.
Thema Nicht nur, aber eben gerade auch auf internationaler Ebene spielen die richtige Wahl von Ort, Zeit und Gegenstand eines Arrests oder einer Pfändung eine maßgebliche Rolle. Was die Erfolgsfaktoren bei Vermögensarrest und Schadenersatz sind. Ende August 2024 sorgte der US-amerikanische Rennstall Haas im Zusammenhang mit dem Formel 1-Rennen im niederländischen Zandvoort für Schlagzeilen. Allerdings weniger wegen der Platzierung – hier landeten die beiden Haas-Fahrer auf den Plätzen elf und 18 von 20 – sondern vielmehr durch die Arretierung der Ausrüstung des Rennstalls durch den russischen Sponsor Uralkali. Basis dafür war die Entscheidung eines Schiedsgerichts zum Sponsorenvertrag zwischen Haas und Uralkali: Der sei zwar rechtmäßig gekündigt worden, der Rennstall sei aber noch Gelder in Höhe von zehn Millionen Euro schuldig. „Eine Beschlagnahme von Vermögensgütern wird wie im Fall Haas-Uralkali häufig und gerne eingesetzt, um den eigenen Anspruch durchzusetzen“, sagt Dr. Michael Rozijn, der Leiter des Dutch Desk von Schultze & Braun. „In den Niederlanden ist über den ‚conservatoir beslag’ sogar vor einer Klageerhebung eine Beschlagnahme von Vermögensgegenständen möglich. Damit sichert man sich wertige Vermögensgegenstände des Gegners, um sie zu versilbern, wenn die Klage erfolgreich ist.“ Effizientes Mittel Häufig reicht eine solche Beschlagnahme aber auch schon aus, um den Gegner zur Zahlung zu bewegen oder auch, um sich zu einigen. So wie bei Haas: Der Rennstall zahlte die Millionen, und konnte zum nächsten Rennen ins italienische Monza aufbrechen, ohne dass Uralkali noch die Verwertung der beschlagnahmten Vermögensgegenstände betreiben musste. „Es zeigt sich: Eine Beschlagnahme ist ein effizientes Mittel, und kann zur richtigen Zeit eingesetzt, für viel Bewegung beim Zahlungsschuldner sorgen“, sagt Rozijn. Die Möglichkeit eines Arrestes oder einer Pfändung eines Vermögensteils, um Forderungen einzutreiben gibt es auch im deutschen Recht. „Jedoch muss dazu zumeist erst ein rechtskräftiges Zahlungsurteil vorliegen“, ordnet Rozijn ein. „Die Pfändung dient dann der Vollstreckung und führt über die weitere Verwertung zum Ziel. Aber auch hier ist die richtige Wahl von Ort, Zeit und Gegenstand der Pfändung ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.“ „Forderungen können sich aber auch ergeben und durchgesetzt werden, wenn Aufträge vertraglich vereinbart wurden, das ausführende Unternehmen bereits investiert hat, der Auftraggeber dann aber einen Rückzieher macht“, erläutert Dr. Dirk Herzig. Der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, der unter anderem am Chemnitzer Standort von Schultze & Braun tätig ist, wurde 2014 zum Insolvenzverwalter des Ingenieurbüros Unionmatex bestellt. 2008 hatte Unionmatex mit einem turkmenischen Staatsunternehmen die Errichtung von fünf Mühlenkomplexen, zwei Bäckereien und Einkaufszentren im Land mit einem Gesamtwert von mehr als 144 Millionen Euro vereinbart. „Das Projekt wurde jedoch vor allem durch Maßnahmen der staatlichen Getreidebehörde verzögert und vereitelt. Recht haben – Geld bekommen
Allen Einigungsversuchen zum Trotz wurde Unionmatex 2012 des Landes verwiesen und musste Ausrüstung, Maschinen und Dokumente in Turkmenistan zurücklassen. Ein Schlag, von dem sich das Unternehmen nicht mehr erholen konnte: 2014 musste Unionmatex Insolvenzantrag stellen“, sagt Herzig. Insolvenzverwalter vs. Turkmenistan „Jedoch bedeutet eine Insolvenz nicht das Ende des Schutzes von Investitionen“, sagt Herzig. „2018 habe ich als Unionmatex-Insolvenzverwalter Turkmenistan auf Basis des deutsch-turkmenischen Investitionsabkommens von 1997 vor dem ICSID-Schiedsgericht in Washington auf Schadenersatz verklagt. Unser Vorwurf war: Der turkmenische Staat war durch massive Einflussnahmen maßgeblich für die Insolvenz verantwortlich.“ Im Herbst 2023 entschied das Tribunal, dass Turkmenistan mit seinem Handeln das Investitionsabkommen verletzt hat und daher Schadenersatz zahlen muss. Alle Widerklagen von Turkmenistan hat das Tribunal abgewiesen. Es zeigt sich: Mal muss es bei Vermögensarrest und Schadenersatz wie in der Formel 1 schnell gehen, mal führt wie beim Mühlstein konstanter und langer Druck zum Ziel, wenn es um „Recht haben – Geld bekommen“ geht. Wichtig ist aber in jedem Fall, die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsystems zu kennen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – sei es auf der Rennstrecke oder im Gericht. Beim Thema internationaler Vermögensarrest und Schadenersatz zeigt sich, wie wichtig es ist, die Besonderheiten des jeweiligen Rechtssystems zu kennen, in dem man als Gläubiger seinen Anspruch durchsetzen muss, um seine Forderung einzutreiben. Diese spielen aber auch bei den Themen Sicherheiten und Risikovorsorge eine große Rolle. Für Geschäfte mit niederländischen Partnern erläutern Dr. Michael Rozijn und Benjamin Schmutz im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun, worauf dabei zu achten ist. Im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun sprechen Dr. Michael Rozijn und Dr. Dirk Herzig zudem darüber, dass eine Pfändung durchaus spektakulär erfolgen kann, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um Schadenersatzforderungen durchsetzen zu können und wie es gelaufen wäre, wenn Uralkali die gesicherten Haas-Vermögenswerte hätte verwerten
T e r m i n e Dezember 2024 e-Learning: Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung Format: Online (Das e-Learning steht Ihnen 90 Tage zur Verfügung) e-Learning: Praxiswissen Insolvenzrecht Format: Online (Das e-Learning steht Ihnen 90 Tage zur Verfügung) Insolvenzanfechtung vermeiden und abwehren 04.12.2024, online Die optimierte Verwaltervergütung 03.12.2024, online Die Schlussrechnungsprüfung 06.12.2024, online Sanierungskredite 06.12.2024, online
Januar – April 2025 Insolvenztabelle 28.01.2025, online Der Inso-Gipfel 13. – 14.02.2025, Garmisch-Partenkirchen 3. Bodensee Rechtstage 10. – 11.04.2025, Konstanz
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