Krise Chance präsentiert von Dezember 2023 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Immobilien in Not
Ticker Foto: www.ssiss-gmbh.de Es ist schon eine besondere Erfolgsgeschichte, wenn ein Unternehmen innerhalb des laufenden Insolvenzverfahrens die Gewinnzone erreicht und sein Produktportfolio erweitert. Genau das ist Dr. Dirk Pehl von Schultze & Braun bei der Neuausrichtung des Produktionsstandortes von medifa in Baden-Baden gelungen. Mit Wirkung zum 1. November 2023 haben die Weinmann Aach AG sowie Minderheitsgesellschafter Patrick Reimer den Standort erworben und ihn unter dem Namen SiSS neu eröffnet. Rund 60 Arbeitsplätze bleiben mit der Übernahme erhalten. „Unter dem neuen Dach hat die medifa wieder eine Perspektive außerhalb des Insolvenzverfahrens und ich freue mich sehr, dass wir die Übernahme gemeinsam über die Ziellinie gebracht haben. Ganz besonders freut es mich für die Mitarbeitenden, die sich mit viel Einsatz diese Zukunftschance erarbeitet haben. Nun wird mit SiSS ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte aufgeschlagen und ich wünsche allen Beteiligten dabei viel Erfolg“, sagt Dr. Pehl. „Das Beispiel medifa zeigt die Stärken, die ein Insolvenzverfahren haben kann. Durch gezielte Anpassungen des Geschäftsmodells und der internen Strukturen während des Verfahrens durch die Interimsmanager von Sy.con haben wir das Unternehmen neu ausrichten können.“ Eine besondere Erfolgsgeschichte
Zum Jahreswechsel 2023/2024 steht ein besonderes Jubiläum an. Das Inkrafttreten der Insolvenzordnung jährt sich am 1. Januar 2024 zum 25. Mal. Das chinesische Unternehmensgesetz ist hingegen etwas jünger. Es kann zum 1. Juni 2024 erst sein 17-jähriges Inkrafttreten feiern. Doch das ist nicht der einzige Unterschied zwischen dem deutschen und dem chinesischen Insolvenzrecht. Ein maßgeblicher Unterschied ist, dass es im chinesischen Insolvenzrecht keine Insolvenzantragspflicht gibt. Jetzt fragen Sie sich eventuell, warum ich auf die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem chinesischen Insolvenzrecht eingehe? Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wissen ist ein Schatz, der seinen Besitzer überallhin begleitet – und angesichts der Tatsache, dass zwischen Deutschland und China Waren im Wert von mehreren hundert Milliarden Euro gehandelt werden, ist das in diesem Fall wortwörtlich zu verstehen. Vor dem Hintergrund der Krise im chinesischen Immobiliensektor, die alles andere als vorbei ist, nehmen die Insolvenzgefahr und die Risiken bei Geschäften mit chinesischen Partnern in allen Branchen zu. Da ist es für deutsche Unternehmen wichtig, zu wissen, wie sie im Fall der Fälle ihre Interessen vertreten und ihre Rechte durchsetzen – und da kommt das chinesische Insolvenzrecht ins Spiel, dessen Besonderheiten meine Kollegin Dr. Elske Fehl-Weileder und Rainer Burkardt von der in China zugelassenen Kanzlei Burkardt & Partner in ihrem Beitrag erläutern. Um das Thema Immobilien und Krise geht es auch in unserem Titelthema. Die Immobilienwirtschaft befindet sich nicht nur in China, sondern auch hierzulande in einer Krise. Zusammen mit den Turbulenzen im Immobilienbereich der Signa-Gruppe im Speziellen wirft diese generelle Krise ein Schlaglicht auf Immobilien in finanzieller Schieflage. Im Interview sprechen meine Kollegin Katharina Franke und mein Kollege Rüdiger Bauch über die Besonderheiten, die dabei zum Tragen kommen. Um die Besonderheiten bei einem Gesellschafterausschluss geht es im Beitrag meines Kollegen Thomas Dömmecke. Er stellt die Bedeutung einer aktuellen BGH-Entscheidung in diesem Zusammenhang dar, ordnet ihre Auswirkungen ein und erläutert, warum es sinnvoll ist, im Gesellschaftsvertrag in guten Zeiten für die schlechten vorzusorgen. Denn wie in einer Ehe sind im Wirtschaftsleben die Gesellschafter einer Unternehmung eng miteinander verbunden. Jedoch gibt es sowohl im Ehe- als auch im Wirtschaftsleben keine Garantie dafür, dass die Verbindung für immer hält. Garantiert ist aber, dass Krise & Chance Sie, liebe Leserinnen und Leser, auch im kommenden Jahr mit aufschlussreichen Einordnungen zu spannenden Themen versorgen wird. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine informative Lektüre und im Namen der gesamten Redaktion eine besinnliche Adventszeit, einen guten Rutsch und einen guten Start ins 25. Jahr der Insolvenzordnung! Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l
Mehr no Im aktuellen NPL-Barometer der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V. (BKS) und der Frankfurt School of Finance & Management gibt die überwiegende Mehrheit der Befragten an, dass sie in den letzten zwölf Monaten eine Zunahme an notleidenden Krediten (NPL) beobachtet haben. Ticker Foto: www.vincentius-hd.info/ Zwei KrankenhausSchutzschirm- verfahren Für das Krankenhaus Salem und das Krankenhaus St. Vincentius der Evangelischen Stadtmission wurden am 21. November 2023 Anträge auf Schutzschirmverfahren beim zuständigen Amtsgericht Heidelberg gestellt. Ziel der Verfahren ist es, bei laufendem Betrieb eine wirtschaftliche Neuausrichtung für die Krankenhäuser herbeizuführen und im Verbund des Trägers nachhaltige Lösungsansätze zu finden, von denen die gesamte Gesellschaftsstruktur langfristig profitiert. „Es ist den beiden Krankenhäusern zunehmend nicht mehr möglich, die erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen aus eigener Kraft umzusetzen. Auch von Trägerseite können keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt werden. Daher haben wir uns nach intensiven Überlegungen und Abwägungen aller Optionen gemeinsam mit den Geschäftsführern der Krankenhäuser zu diesem Schritt entschieden. Mit dem gesetzlichen Schutz des Schutzschirmverfahrens und seinen breiten Gestaltungsinstrumenten haben wir nun die Möglichkeit, bei laufendem Betrieb die Neugestaltung unserer Krankenhäuser anzugehen“, sagt Prof. Dr. Helmut K. Seitz, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Stadtmission Heidelberg. Dr. Jürgen Erbe und Holger Blümle von Schultze & Braun unterstützen und überwachen die beiden Verfahren als vorläufige Sachwalter, Dr. Erbe für das Krankenhaus St. Vincentius, Blümle für das Krankenhaus Salem. „Ein Schutzschirmverfahren bietet die Möglichkeit, Krankenhäuser und Kliniken auch in Phasen stärkster wirtschaftlicher Herausforderungen zu stabilisieren und nachhaltig zu sanieren. Wir sind zuversichtlich, dass das auch für St. Vincentius und Salem gelingen kann“, so die beiden erfahrenen Sanierungsexperten. Der österreichische Finanzinvestor SOL Capital will den Wutöschinger Profilhersteller alfer aluminium übernehmen. Das sieht eine Investorenvereinbarung vor, die am 27. Oktober 2023 unterzeichnet wurde. Nun wird dem Gericht und den Gläubigern der Insolvenzplan vorgelegt, in dem die Konditionen der Übernahme
Der Aufwärts-Trend bei den NPL scheint sich damit nicht nur zu verstätigen, er nimmt sogar noch zu. Beim Blick in die Zukunft gehen noch mehr Risikomanager davon aus, dass die Zahl der NPL in den kommenden zwölf Monaten weiter zulegen wird. Fakt ist: Kreditrisiken bei der Unternehmensfinanzierung zu begegnen, gewinnt für Banken an Bedeutung – eine Option ist der Verkauf von NPL-Portfolios. In der März-Ausgabe von Krise & Chance erläutern Jürgen Sonder, der Präsident der BKS und Dr. Ludwig J. Weber von Schultze & Braun im Interview, worauf Verkäufer und Käufer bei NPL-Transaktionen achten sollten. Grundlage war damals das NPL-Barometer zum Jahreswechsel 2022/2023. Die Situation hat sich aber seitdem nicht entspannt, sondern weiterentwickelt. Der NPL-Markt wandelt sich immer mehr von einem Verkäufermarkt zu einem Käufermarkt. Es bleibt beim Thema NPL also weiterhin spannend. otleidende Kredite Foto: www.alfer.com festgeschrieben sind, bereits vor Einreichung des Insolvenzplanes stellt SOL Capital ein Massedarlehen zur Verfügung. SOL Capital beabsichtigt die Übernahme des Geschäftsbetriebs, der Grundstücke und Immobilien sowie von allen Arbeitnehmern in Wutöschingen. Die Gläubiger müssen dem Plan noch zustimmen. SOL Capital stellt Liquidität und Kapital zur Verfügung, um die Lieferfähigkeit von alfer aluminium rasch auf das Vorkrisenniveau zu steigern. Sind alle Voraussetzungen für die Übernahme erfüllt, könnte der Insolvenzplan im Januar 2024 rechtskräftig werden. „Der Einstieg von SOL Capital ist eine Chance für alfer aluminium, den Geschäftsbetrieb zurück zu alter Stärke zu führen“, sagt Sanierungsexperte Dr. Dirk Pehl von Schultze & Braun, der zusammen mit seinem Kollegen Dr. Jürgen Erbe die Geschäftsführung von alfer aluminium durch das Sanierungsverfahren begleitet. „Mit alfer erwirbt SOL Capital eine Marke, die bei vielen Baumärkten eine feste Größe im Sortiment ist. Das ist eine hervorragende Ausgangsbasis, mit dem alfer auch in Zukunft wachsen kann.“ Investorenvereinbarung unterzeichnet
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Frau Franke, Herr Bauch, welche Bedeutung hat das Zinsniveau beim Thema Immobilien in der Insolvenz? Franke: Die Bedeutung ist enorm. Das Zinsniveau war über Jahre hinweg sehr niedrig, teilweise ja sogar negativ. Im Gegenzug sind die Preise für die meisten Immobilien stetig angestiegen. Das führte dazu, dass – selbst wenn es einmal zur finanziellen Schieflage einer Immobilie kam – die gesicherten Gläubiger, also etwa Banken mit Grundpfandrechten, ihre Sicherheiten oftmals so verwerten konnten, dass nicht nur ihre Forderungen komplett bedient wurden, sondern auch für den Eigentümer ein Überschuss verblieb. Bauch: Mitunter gingen die Kreditinstitute und Vollstreckungsgerichte aufgrund dieser Entwicklung auch dazu über, ihre Abteilungen zu verkleinern und Mitarbeiter anders einzusetzen. Hier ist oftmals Kompetenz und Erfahrung verloren gegangen, sich mit notleidenden Immobilienkrediten und deren Folgen zu befassen, die jetzt wieder aufgebaut werden muss. Denn mit der Zahl der notleidenden Immobilienkredite steigt auch die Zahl der Immobilien in der Insolvenz, oder? Bauch: In der Tat, aber das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit von notleidenden Immobilienkrediten Die Krise der Immobilienwirtschaft generell und die Turbulenzen im Immobilienbereich der SignaGruppe im Speziellen werfen ein Schlaglicht auf Immobilien in finanzieller Schieflage. Im Interview sprechen Katharina Franke und Rüdiger Bauch über die Besonderheiten, die dabei zum Tragen kommen. T i tel
und Eigentümern und/oder Besitzgesellschaften von Immobilien, die in finanzielle Schieflage geraten sind oder sich in einer Insolvenz befinden. Der Umgang mit ihnen ist ähnlich herausfordernd. Franke: Beim Immobilienkauf oder -verkauf heißt es immer Lage, Lage, Lage! Man kann durchaus sagen, dass beim Thema Immobilien in der Krise noch Ertrag und Erfahrung hinzukommen! Welche Maßnahmen ergreifen Sie bei einer insolventen Immobilie als erstes? Franke: Da sind zunächst einmal Maßnahmen, die eine Bestandaufnahme der Immobilie ermöglichen. Das geht von der Prüfung der technischen Infrastruktur und eventuell erforderlichen Reparaturen bis zur Erfassung von Versicherungen, Zulassungen oder Genehmigungen – abhängig davon, wie groß die Immobilie ist und ob es sich um eine Wohn-, eine Geschäfts- oder eine Mischimmobilie handelt. Bauch: Wenn die Immobilie vermietet ist, geht es natürlich auch darum, die Mieten einzuziehen und die laufenden Verbindlichkeiten der Immobilie zu begleichen – also etwa Wasser und Strom zu bezahlen. Zumeist steht man aber vor der Herausforderung, dass die Immobilie, bei der man als Insolvenzverwalter tätig wird, oft ziemlich heruntergewirtschaftet ist. Da müssen sie als Verwalter erst einmal sehr schnell bei den Lieferanten, den Behörden, aber auch den Mietern und den Mitarbeitenden das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen. Zudem müssen sie sich mit den gesicherten Gläubigern insoweit einigen, dass diese dem Verkauf der Immobilie grundsätzlich zustimmen. Welchen Vorteil haben die gesicherten Gläubiger von der Arbeit des Verwalters? Franke: Die gesicherten Gläubiger, bei denen es sich zumeist um eine Bank oder ein Bankenkonsortium handelt, profitieren finanziell von der Arbeit des Verwalters. Der Preis beim Verkauf steigt dadurch im Normalfall, und das investierte Kapital und die aufgewendete Zeit zahlen sich am Ende aus. Bauch: Der Faktor Zeit ist in der Tat nicht zu unterschätzen – gerade angesichts der zahlreichen Maßnahmen, die während der Verwaltung umgesetzt werden müssen. Da ist etwa die Mieterstruktur, die bei Bedarf angepasst werden muss. Das geht von der Bindung und Gewinnung bonitätsstarker Mieter wenn nötig bis zur Trennung von schlechten Mietern. Bei Immobilien sind ja mitunter auch bauliche Maßnahmen notwendig. Wie wird damit im Rahmen einer Insolvenz umgegangen? Bauch: Die Bewirtschaftung einer Immobilie ist wie die Fortführung eines Unternehmens zu handhaben. Eine wichtige Frage ist, inwieweit die laufenden Kosten aus den Mieteinnahmen gedeckt werden können. Mit anderen Worten: Ist die Immobilie cash-positiv oder cash-negativ? Gibt es hier ein negatives Delta, kann dieses nur von einem Grundpfandgläubiger ausgeglichen werden, der daran etwa mit dem Blick auf den angestrebten Verkauf der Immobilie ein finanzielles Interesse hat. Auch wenn die Immobilie ihre laufenden Kosten verdient, kann der Insolvenzverwalter diesen Überschuss – Stichwort freie Masse – nicht ohne weiteres für die Immobilie aufwenden. Er muss vielmehr immer im Blick das Interesse der Gläubigergesamtheit haben. Franke: Die Kosten sind bei einer Immobilie in der Insolvenz generell ein wichtiger Faktor. Oftmals sind die Kosten der Immobilie ein Grund für die finanzielle Schieflage der Eigentümer und/oder der Besitzgesellschaft. Hier kann man als Verwalterin mit den Möglichkeiten des Insolvenzrechts im Verfahren viel erreichen – etwa bei den Verträgen mit Lieferanten und Dienstleistern. Mindestens genauso wichtig ist aber eine direkte und transparente Kommunikation mit den Gläubigern. Sie müssen über das gesamte Verfahren hinweg das Vertrauen haben, dass am Ende die ergriffenen Maßnahmen die Richtigen waren.
Beim Insolven nur Chinesisc Thema Ein maßgeblicher Unterschied zwischen dem deutschen und dem chinesischen Insolvenzrecht ist, dass es im chinesischen Insolvenzrecht keine Insolvenzantragspflicht gibt. „Das bedeutet: Auch wenn ein chinesisches Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann, müssen die handelnden Personen von sich aus keinen Insolvenzantrag stellen“, sagt Dr. Elske Fehl-Weileder. Die Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht bei Schultze & Braun ist Expertin für das chinesische Insolvenzrecht. Hürden nicht unterschätzen In Deutschland, aber auch in China gilt grundsätzlich: Wer eine fällige Forderung gegen ein insolvenzreifes Unternehmen hat, kann einen Insolvenzantrag gegen die Gesellschaft stellen, gegen die er die fällige Forderung hat. Mit einem solchen sogenannten Fremd- oder Gläubigerantrag muss sich das zuständige Insolvenzgericht beschäftigen. „Allerdings sind die Hürden für einen solchen Antrag in China nicht zu unterschätzen. So muss der Gläubiger den Insolvenzantrag zwingend bei dem Gericht einreichen, das für die jeweilige Gesellschaft zuständig ist, gegen die er die Forderung hat“, sagt Rainer Burkardt. Der Rechtsanwalt ist Gründer der Kanzlei Burkardt & Partner, die in China zugelassen ist und vorwiegend den deutschsprachigen Mittelstand bei Investitionen und Geschäften in China berät. „Welches Gericht letztlich zuständig ist, ist zum Beispiel bei großen Konzernen wie China Evergrande gar nicht so ohne weiteres zu identifizieren“, sagt Fehl-Weileder, die am Nürnberger Standort von Schultze & Braun tätig ist. „Zudem muss der Antrag dem Gericht auf Chinesisch vorgelegt und mit aussagekräftigen Dokumenten begründet werden. Das kann zum Beispiel der Nachweis sein, dass bis zum Stichtag X die Zinszahlung oder der Rechnungsbetrag final fällig gewesen wäre. Gut ist zudem, wenn der Gläubiger einen Nachweis bringen kann, dass er die fällige Forderung angemahnt hat“. Ist die Zuständigkeit des Gerichts geklärt und liegt der Antrag samt entsprechender Nachweise vor, entscheidet das Gericht, ob es den Insolvenzantrag zur Bearbeitung annimmt. „Im Fall einer Ablehnung hat der Gläubiger zehn Tage Zeit, um bei dem nächsthöheren Gericht dagegen in Berufung zu gehen“, erläutert Burkardt. „Wenn das Gericht den Insolvenzantrag des Gläubigers annimmt, bekommt das Unternehmen, gegen das der Antrag gestellt wurde, die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen.“ Verfahrensart „Reorganisation“ Gibt es auf den Antrag keine Reaktion, oder kann das chinesische Unternehmen nicht nachweisen, dass kein Insolvenzgrund vorliegt, werden ein oder Die Krise im chinesischen Immobiliensektor ist alles andere als vorbei – das zeigt die aktuelle Entwicklung bei China Evergrande, Country-Garden und weiteren Immobilienkonzernen. Die Insolvenzgefahr und die Risiken bei Geschäften mit chinesischen Partnern nehmen aber nahezu in allen Branchen zu. Dr. Elske Fehl-Weileder und Rainer Burkardt erläutern vor diesem Hintergrund die Besonderheiten des chinesischen Insolvenzrechts.
nzrecht nicht ch verstehen mehrere Insolvenzverwalter eingesetzt. Bei ihnen kann der Gläubiger seine Forderung dann zur sogenannten Insolvenztabelle anmelden, und ihm stehen auch Auskunftsrechte im Verfahren zu. „Eine weitere Besonderheit ist, dass anders als in Deutschland in China ein Gläubigerantrag auch auf die Verfahrensart „Reorganisation“ gerichtet sein kann. Das heißt, dass ein Insolvenzantrag nicht zwingend zur Liquidation des chinesischen Unternehmens führen muss. Meistens ist eine Sanierung für die Gläubiger finanziell gesehen sogar lukrativer als eine Liquidation“, sagt Fehl-Weileder, die in Deutschland regelmäßig als Insolvenzverwalterin bestellt wird. In einem Insolvenzverfahren nach dem chinesischen Recht können sowohl ausländische als auch chinesische Gläubiger ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Das bedeutet, dass sie am Ende des Verfahrens aus dem Vermögen, das der oder die Insolvenzverwalter sichern und einsammeln konnte, einen quotalen Anteil ihrer Forderung zurückgezahlt bekommen. Die sogenannte Insolvenzquote liegt allerdings in der Regel nur bei einem geringen Prozentsatz im meist einstelligen Bereich. Besonders ausländische Gläubiger sollten auch mit dem Blick auf die möglicherweise niedrige Insolvenzquote prüfen, ob sich die Forderungsanmeldung unter Berücksichtigung möglicherweise erheblicher Übersetzungskosten für sie lohnt – denn auch für die Forderungsanmeldung notwendigen Unterlagen müssen auf Chinesisch eingereicht werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass in einem Insolvenzverfahren in China zusätzlich zu den Verfahrenskosten und den Ansprüchen der gesicherten Gläubiger die Forderungen der Steuer- und Sozialversicherungsbehörden sowie der Arbeitnehmer vorrangig vor den sonstigen Gläubigern zu begleichen sind. Dadurch kann sich die Insolvenzquote für die übrigen Gläubiger nochmals verringern. „Die gute Nachricht ist, dass Gläubiger – und das sind deutsche Lieferanten, wenn ihr chinesischer Geschäftspartner zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist – den finanziellen Risiken durch Zahlungsverzögerungen oder auch Zahlungsausfälle in China nicht schutzlos ausgeliefert sind“, sagt Burkardt. „Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Unternehmen wie China Evergrande im Immobiliensektor oder in einer anderen Branche tätig ist.“ Gläubiger können ausstehende Zahlungen zum Beispiel durch eine Zwangsvollstreckung eintreiben – allerdings nur, solange kein Insolvenzantrag gegen das chinesische Unternehmen gestellt wurde. Welche Möglichkeiten deutsche Unternehmen haben, ihre Interessen und Rechte in China im Fall einer Krise durchzusetzen, welche Besonderheiten mit dem Blick auf chinesische Lieferanten beachtet werden sollten und welche Erfolgsfaktoren es bei einer Zwangsvollstreckung in China gibt, erläutern Dr. Elske Fehl-Weileder und Rainer Burkardt von Burkardt & Partner in ihrem Beitrag auf dem Blog von Schultze & Braun.
Thema In guten Zeiten für die schlechten vorsorgen „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ „Diese Zeilen aus dem bekannten Gedicht „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller beschreiben, wie wichtig die Vorsorge für den Fall der Fälle ist – gerade mit dem Blick darauf, dass zu Beginn einer Verbindung keine Seite an eine Trennung denkt und auch denken will“, sagt Thomas Dömmecke von Schultze & Braun „Das gilt für eine Ehe genauso wie im Wirtschaftsleben.“ Regelungen im Gesellschaftsvertrag wichtig Damit die Reue im Fall der Fälle finanziell gesehen nicht zu groß wird, gibt es den Ehevertrag, in dem auch das Vorgehen im Scheidungsfall festgelegt ist. Im Wirtschaftsleben ist ein solcher Fall mit dem AusIn guten wie in schlechten Zeiten – so heißt es in vielen Ehegelübden. Wie in einer Ehe sind im Wirtschaftsleben die Gesellschafter einer Unternehmung eng miteinander verbunden. Jedoch gibt es sowohl im Ehe- als auch im Wirtschaftsleben keine Garantie dafür, dass die Verbindung für immer hält – mitunter trennt man sich zudem nicht im Guten. Gerade in solchen Fällen kann sich die Vorsorge im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen – auch vor dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung des BGH zur Wirksamkeit eines Gesellschafterausschlusses.
scheiden, insbesondere dem Ausschluss eines Gesellschafters vergleichbar, der im Gesellschaftsvertrag geregelt sein sollte. Das „sollte“ ist in diesem Fall aber bewusst gewählt, da der Gesellschafterausschluss nicht automatisch im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. „So ist etwa im Musterprotokoll zur Gründung einer GmbH und im dazugehörigen Muster-Gesellschaftsvertrag, die seit 15 Jahren genutzt werden können, der Ausschluss eines Gesellschafters nicht geregelt“, sagt Dömmecke. „Das kann für die verbleibenden Gesellschafter nicht nur teuer werden, sondern den Ausschluss unter Umständen sogar komplett verhindern.“ Ohne vertragliche Regelung ist der Ausschluss eines Gesellschafters zwar grundsätzlich als letztes Mittel möglich, allerdings muss dieser zunächst per Gerichtsentscheid bestätigt werden. Allein, bis ein solches Urteil ergeht, können bereits ein bis zwei Jahre vergehen, wenn es in die nächste Instanz geht auch deutlich länger. Da im Anschluss oftmals noch die Zeit für die Verhandlungen über die Höhe der Abfindung für den ausgeschlossenen Gesellschafter und deren Auszahlung hinzukommt, kann es durchaus mehrere Jahre dauern, bis ein Gesellschafterausschluss wirksam wird. „Wenn es denn überhaupt so weit kommt, denn gerade bei Unternehmen in einer Krise steht ja die Frage im Raum, ob sich das Unternehmen die Abfindung überhaupt noch leisten kann“, sagt Dömmecke. Verkürzung und Vereinfachung Mit seiner aktuellen Entscheidung sorgt der BGH nun beim Gesellschafterausschluss für eine generelle Verkürzung und eine Vereinfachung. „Ein Gesellschafterausschluss wird bereits mit dem Gerichtentscheid wirksam und nicht erst bei Zahlung der Abfindung“, fasst Dömmecke zusammen. „Das Besondere an der Entscheidung ist, dass Gesellschaften bei Streitigkeiten unter den Gesellschaftern, die in eine Trennung münden, nun schneller wieder handlungsfähig sind. Denn oftmals geht der Ausschluss eines Gesellschafters mit einer Hängepartie für die Gesellschaft einher, die negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat.“ Die Entscheidung des BGH verkürzt und vereinfacht den Ausschluss eines Gesellschafters für Gesellschaften ohne vertragliche Regelung. Enthält der Gesellschaftsvertrag hingegen eine Regelung zum Ausschluss bzw. zur Einziehung, so geht diese vor. Regelmäßig ist in gut beratenen Gesellschaftsverträgen ein Ausscheiden bereits mit Beschlussfassung der Gesellschafter vorgesehen, also ohne Gerichtsverfahren. Ist in einem Gesellschaftsvertrag allerdings in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung festgelegt, dass ein Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters erst mit der Auszahlung der Abfindung erfolgt, dann ändert die Entscheidung des BGH daran nichts. „Das Ausscheiden eines Gesellschafters betrifft aber nicht nur die Frage der Wirksamkeit, sondern umfasst eine Vielzahl von Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssen, die für beide Seiten akzeptabel sind“, sagt Dömmecke, der bereits eine Vielzahl von Unternehmen in solchen Zusammenhängen beraten hat. „Ein wichtiger Punkt ist, im Gesellschaftsvertrag nicht nur detaillierte Regelungen für den Fall eines Gesellschafterausschlusses – also, wenn sich ein Gesellschafter etwas zu Schulden kommen lassen hat – vorzusehen, sondern auch den Fall zu regeln, dass ein Gesellschafter aus freien Stücken ausscheidet oder sich die Gesellschafter schlicht trennen wollen, ohne dass es einen Good Guy und einen Bad Guy gibt. Dafür gibt es unterschiedliche Optionen, die je nach individueller Situation der Gesellschaft und der Gesellschafter geprüft und dann eine davon gewählt werden sollten.“ Grundsätzlich gilt also für das Ehe- wie auch das Wirtschaftsleben: Es lohnt sich, in guten Zeiten für die schlechten vorzusorgen – auch wenn die beste Vorsorge natürlich die ist, die nie zum Einsatz kommen muss. In der Juni-Ausgabe von Krise & Chance ordnen Dr. Ludwig J. Weber und Rüdiger Bauch von Schultze & Braun eine Entscheidung des BGH zum sogenannten Kleinbeteiligtenprivileg ein, das besonders für Kleingesellschafter in Familienunternehmen, Konzernen oder Start Ups von großer Bedeutung ist. Denn Gesellschafter mit Beteiligungen von bis zu zehn Prozent dürfen sich nach dieser Entscheidung zumindest allein wegen der Höhe ihrer individuellen Beteiligung nicht mehr sicher vor einer Anfechtung fühlen.
T e r m i n e Dezember 2023 Die optimierte Verwaltervergütung 01.12.2023, online e-Learning: Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung bis 31.12.2023, online e-Learning: Praxiswissen Insolvenzrecht bis 31.12.2023, online
Januar/ Februar 2024 Betriebliche Altersversorgung in der Insolvenz 22.01.2024, online Sanierungskredite 24.01.2024, online Experten-Round-Table: StaRUG 01.02.2024, online
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