Krise & Chance November 2023

Krise Chance präsentiert von November 2023 Neues zu Restrukturierung und Insolvenz Erhebliche Erweiterung der Haftungsrisiken

Ticker Im März 2022 konnte Insolvenzverwalter Dr. Dietmar Haffa von Schultze & Braun den Geschäftsbetrieb von Copaltec, einem Hersteller von hochwärmeleitfähigen Polyurethan-Vergussmassen an die Kisling Gruppe übertragen und dabei alle Arbeitsplätze des 2012 gegründeten Unternehmens mit Sitz in Böblingen erhalten. Nun konnte der Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht vom Stuttgarter Standort der Kanzlei die Außenstände begleichen, die Copaltec bei seinen Gläubigern hatte. „Die 100-Prozent-Quote, die wir in diesem Insolvenzverfahren erreicht haben, ist äußerst selten. Umso mehr freue ich mich über diesen schönen Erfolg für die Gläubiger. Dieses Verfahren zeigt, dass eine Insolvenz nicht das Ende eines Unternehmens sein muss und dass auch die Gläubiger von einer Regelinsolvenz profitieren können“, sagt Dr. Haffa. 100 Prozent bei Unternehmen, Arbeitsplätzen und Gläubigerforderungen Foto: www.kisling.com

Wer den Begriff „Risiko“ bei Google eingibt, erhält rund 518 Millionen Suchergebnisse. Auch wenn sicherlich ein nicht unerheblicher Teil davon im Zusammenhang mit dem beliebten Brettspiel „Risiko“ steht, zeigt die sehr große Anzahl der Suchergebnisse, dass es eine große Bandbreite an Risiken in unterschiedlichen Bereichen gibt. Beim Blick auf die wirtschaftlichen Bereiche spielen Risiken nicht nur als unternehmerische Risiken, sondern auch als Haftungsrisiken eine große Rolle – gerade auch, da es in Haftungsfällen oftmals um hohe Summen geht. Angesichts einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs und der Ende Februar 2024 anstehenden mündlichen Verhandlung im Organhaftungsverfahren, das der Insolvenzverwalter von Wirecard angestrengt hat, haben wir in dieser Ausgabe von Krise & Chance den Schwerpunkt auf die Haftungsrisiken für Rechtsberater und Aufsichtsräte gelegt. Meine Kollegen Dr. Ludwig J. Weber und Thomas Dömmecke ordnen im Interview eine Ende Juni 2023 ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein, die unlängst veröffentlicht wurde, und die die sich mit der persönlichen Haftung für Rechtsberater bei insolvenzreifen Unternehmen befasst. Neben der Entscheidung an sich erläutern die beiden ihre Auswirkungen für Rechtsanwälte und Steuerberater, die Unternehmen beraten. Thomas Dömmecke beschäftigt sich nicht nur mit den Haftungsrisiken für Rechts- und Steuerberater, er ist auch Experte für die Haftungsrisiken, mit denen sich Aufsichtsräte konfrontiert sehen, wenn sie ihren zahlreichen Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht oder nur unzureichend nachkommen. In seinem Beitrag stellt Dömmecke auch die Möglichkeiten dar, die Aufsichtsräte haben, um sich vor den Haftungsrisiken zu schützen. Mit einem Risiko der anderen Art – nämlich dem, dass eine Beschwerde gegen einen Restrukturierungsplan – nicht zugelassen wird, müssen sich Gläubiger befassen. Denn für eine solche Beschwerde gibt es mehrere Voraussetzungen. Mein Kollege Prof. Dr. Andreas J. Baumert ordnet in seinem Beitrag anhand einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth ein, was bei einer Beschwerde gegen einen Restrukturierungsplan zu beachten ist. Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlussreiche Lektüre, Ihr Tobias Hirte e d i t o r i a l

Ticker Kurz vor der Eröffnung des Verfahrens am 1. Oktober haben sich auch die letzten verbliebenen potentiellen Investoren zurückgezogen. Der Reitzubehörhersteller und -händler Döbert muss daher den Geschäftsbetrieb einstellen, da ohne neuen Investor eine Fortführung von Produktion und Vertrieb des Unternehmens vor dem Hintergrund der auflaufenden Verluste unmöglich ist. „So gerne wir diesen Schritt vermieden hätten – in diesem Fall ist er leider unumgänglich“, sagt Dr. Markus Schuster von Schultze & Braun. Bis zuletzt hatte er als Insolvenzverwalter intensiv mit den potentiellen Investoren verhandelt war dabei so weit gegangen, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war. Die Wochen seit dem Insolvenzantrag Ende Juli hätten jedoch gezeigt, dass die notwendigen Investitionen für eine künftige wirtschaftliche Fortführung des Geschäftsbetriebs allen zu hoch waren – auch mit dem Blick auf die aktuell nur bedingt vorhandene konjunkturelle Planungssicherheit. Er sei aber zuversichtlich, dass die bis zuletzt hochmotivierten Mitarbeitenden von Döbert bald neue Arbeitsplätze in der Region fänden und unterstütze sie dabei, so der Insolvenzverwalter. Kunden haben noch ein paar Wochen die Möglichkeit, bereits produzierte Produkte zu bestellen. Neben sogenannten Sattlerwaren umfasst die Produktpalette von Döbert auch ein umfangreiches Sortiment an Gerten und Peitschen. Schuster führt zudem bereits Gespräche mit möglichen Käufern für die Wortmarke „DÖBERT“ und für die Maschinen und Produktionsanlagen. Foto: www.tqm.cn Betriebseinstellung unausweichlich Foto: w/www.autohaus-pilarski.de

Zumindest eine kleine Insolvenzquote Es gibt Insolvenzverfahren, in denen auch eine kleine Insolvenzquote als Erfolg zu werten ist. Ein solches Verfahren ist das des Autohauses Pilarski in Helmstedt. Da Insolvenzverwalter Tobias Hartwig von Schultze & Braun einen Käufer für das Betriebsgelände gefunden hat, können sie nun zumindest auf eine kleine Insolvenzquote hoffen. „Durch die Veräußerung fließt Geld in die Insolvenzmasse, die ich am Ende gleichmäßig an die ungesicherten Gläubiger verteilen kann. Das ist eine gute Nachricht, weil die Geschädigten immerhin einen Teil ihrer Außenstände ersetzt bekommen, auch wenn es sich dabei voraussichtlich nur um einen kleinen Teil handeln dürfte“, sagte Hartwig. Unmittelbar nach dem Insolvenzantrag hatte Hartwig zunächst feststellen müssen, dass etwa 40 Fahrzeuge widerrechtlich vom Hof des Autohauses entfernt worden waren. Bei einer Reihe von Fahrzeugen konnte der Insolvenzverwalter trotz ursprünglich fehlender oder verschwundener Unterlagen die Eigentumsverhältnisse klären und die Autos den rechtmäßigen Eigentümern zu übergeben. Unklar ist allerdings derzeit noch der Verbleib von Kassenmitteln in Höhe von fast 500.000 Euro. Gläubigerforderungen vollständig beglichen Knapp drei Jahre nach dem Beginn des Insolvenzverfahrens hatte Insolvenzverwalter Dr. Dietmar Haffa von Schultze & Braun für die Gläubiger des Werkzeugbauers Tianjin Motor Dies Europe GmbH (TQM) gute Nachrichten: Sie können sich über die vollständige Rückzahlung ihrer festgestellten Forderungen freuen. Dass keine Forderung offen bleibe, sei ein sehr gutes Ergebnis – gerade, wenn man bedenke, dass im Durchschnitt die Insolvenzquoten für die Gläubiger gerade einmal im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen, so Haffa, der im Dezember 2020 zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellt worden war und zum 1. Mai 2021 wegen der anhaltenden Verlustsituation gezwungen war, den Geschäftsbetrieb einzustellen. Der überwiegende Teil der rund 150 Mitarbeitenden konnte nach dem Ende der Geschäftstätigkeit bei TQM in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln, die durch die guten Verwertungsergebnisse aus dem Insolvenzverfahren finanziell gut ausgestattet werden konnte.

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Erhebliche Erweiterung der Haftungsrisiken

Herr Weber, Herr Dömmecke, was besagt die Entscheidung des BGH? Weber: Der BGH hat sich zum sogenannten Drittschutz bei der Beratung insolvenzreifer Unternehmen geäußert. Mit ihrem Urteil haben die Richter des neunten Senats ein Schlaglicht auf das nicht zu unterschätzende Risiko einer persönlichen Haftung von Rechtsanwälten und Steuerberaten geworfen, die Unternehmen beraten – und zwar auch, wenn die Beratung über Insolvenzgründe nicht Hauptleistung der Mandatsvereinbarung ist. Dömmecke: Die Entscheidung besagt, dass schon dann, wenn sich eine Insolvenzantragspflicht aufdrängt, den Berater eine Hinweis- und Schutzpflicht auch gegenüber der Geschäftsleitung trifft. Das bedeutet, dass der Berater die Geschäftsführung in einem solchen Fall darauf hinweisen muss, dass das Unternehmen insolvenzreif ist. Ansonsten droht ihm eine persönliche Haftung, wenn die Geschäftsführung zum Beispiel weiterhin Zahlungen veranlasst, die dann ja zu Lasten der Insolvenzmasse gehen. Würde der Insolvenzverwalter den Berater direkt in Anspruch nehmen? Dömmecke: In erster Linie nimmt ein Verwalter die Geschäftsführung auf Basis von § 15 b InsO in Anspruch. So war es zunächst auch im Fall, um den es vor dem BGH ging. Die Geschäftsführer sollten haften. Sie haben allerdings ihre eigenen Ansprüche gegen den beratenden Rechtsanwalt an den Insolvenzverwalter abgetreten. Der ist dann auf den VersiKürzlich wurde eine Ende Juni 2023 ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (IX ZR 56/22) veröffentlicht, die sich mit der persönlichen Haftung für Rechtsberater bei insolvenzreifen Unternehmen befasst. Dr. Ludwig Weber und Thomas Dömmecke gehen im Interview auf die BGH-Entscheidung ein und erläutern ihre Auswirkungen für Rechtsanwälte und Steuerberater, die Unternehmen beraten. T i tel

cherer des Rechtsanwalts zugegangen. Das Geschäft in so einem Fall ist folgendes: Der Insolvenzverwalter lässt die Geschäftsführer in Ruhe, soweit er sich das Geld vom Berater holen kann. Sie sprechen den Fall vor dem BGH an. Worum ging es dabei? Dömmecke: Ein Vater und sein Sohn waren als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co. KG tätig – der Sohn als eingetragener und bestellter Geschäftsführer, der Vater als faktischer, der ohne Bestellung und Eintragung im Handelsregister die Geschäfte führte. Beide hatten trotz Insolvenzreife der GmbH & Co. KG noch verschiedene Zahlungen geleistet, für die der spätere Insolvenzverwalter Vater und Sohn erfolgreich in Anspruch genommen hat. Die Parteien verglichen sich am Ende auf eine Zahlung von 85.000 Euro. Weber: Vater und Sohn haben ihren Regressanspruch gegen den ehemaligen Berater dann an die Klägerin des BGH-Verfahrens abgetreten. Da der beratende Rechtsanwalt inzwischen selbst insolvent war, wandte sie sich an den Haftpflichtversicherer des Rechtsanwalts. Die Klage stützte sie darauf, dass der Rechtsanwalt seine Beratungspflichten im Blick auf eine bestehende Insolvenzreife der Kommanditgesellschaft verletzt hätte. Zudem seien Vater und Sohn als formaler und faktischer Geschäftsführer beide in den Schutzbereich der Mandatsverträge einbezogen, die die Kommanditgesellschaft mit dem Rechtsanwalt geschlossen hatte. Kommen solche Fälle in der Praxis oft vor? Dömmecke: Dass es einen eingetragenen und einen faktischen Geschäftsführer gibt, ist in der Praxis häufig der Fall – etwa dann, wenn der Unternehmensgründer `nicht loslassen kann´ und nach offiziellem Rücktritt weiter die Geschicke in der Hand behält oder ein Investor zu viel Einfluss auf das operative Geschäft nimmt. Lag der Fokus der Mandatsverträge im Fall vor dem BGH denn auf der Beratung zur Insolvenzreife? Weber: Die Einzelheiten der Mandatsverträge sind natürlich nicht bekannt, es ist aber davon auszugehen, dass es nicht so war. Mit seiner Entscheidung stellt der BGH aber höchstrichterlich fest, dass die Hinweis- und Warnpflicht eines Rechtsberaters auch dann greifen kann, wenn die Beratung über Insolvenzgründe nicht die Hauptleistung der Mandatsvereinbarung ist. Der BGH knüpft damit an seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2017 zu den Hinweis- und Warnpflichten eines Steuerberaters an, der mit der Erstellung des Jahresabschlusses betraut ist und dabei auf einen möglichen Insolvenzgrund aufmerksam wird. Was würden Sie Rechtsanwälten, aber auch Steuerberatern vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung des BGH raten? Dömmecke: Der BGH macht in seiner Entscheidung zwar einige Einschränkungen – so muss der Insolvenzgrund offenkundig sein oder sich aufdrängen – jedoch müssen Rechtsberater, die ein Unternehmen regelmäßig beraten, erhöhte Vorsicht und Vorsorge an den Tag legen – gerade dann, wenn sie nicht firm im Insolvenzrecht sind. Um auf Nummer Sicher zu gehen und das Risiko einer Haftung zu vermeiden, sollten Rechtsberater, aber auch Steuerberater, bei den ersten Anzeichen einer Krise des Unternehmens, das sie beraten, einen Experten für Insolvenzrecht hinzuziehen. Weber: Gemeinsam sollte die Situation dann bewertet werden, um zusammen mit der Geschäftsführung die erforderlichen Schritte zu unternehmen. Ein frühes Handeln kommt auch der Geschäftsführung zugute, da die Chancen größer sind, die Krise zu meistern, je früher sie erkannt wird und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das Thema Haftung des Beraters ist aber auch für die Versicherer von großer Bedeutung – gerade auch, da es in solchen Fällen durchaus um hohe Schadenssummen gehen kann und die Versicherer daher mitunter die einzige Partei sind, die diese überhaupt bezahlen könnte.

Im Krisenfall besondere An Thema Ende Februar des kommenden Jahres wird der Fall Wirecard wieder für Schlagzeilen sorgen. Denn dann beginnt die mündliche Verhandlung im Organhaftungsverfahren, das der Insolvenzverwalter angestrengt hat. Er klagt unter anderem gegen die beiden ehemaligen Wirecard-Aufsichtsräte Wulf Matthias und Stefan Klestil, denen Pflichtverletzungen bei diversen Kreditvergaben in Höhe von insgesamt 140 Millionen Euro vorgeworfen werden. „Nach der Lesart des Insolvenzverwalters von Wirecard entstehe dadurch eine gesamtschuldnerische Organhaftung“, sagt Thomas Dömmecke von Schultze & Braun. Darüber hinaus sei es gut möglich, dass der Insolvenzverwalter seine Klage auf weitere Mitglieder des Wirecard-Aufsichtsrats ausweite, so der Experte für Sanierungsberatung, Gesellschaftsrecht sowie für die Abwehr von krisen- und insolvenzspezifischen Haftungssachverhalten. Fakt ist: Auch wenn es bis Februar 2024 noch etwas hin ist, wirft das Beispiel Wirecard bereits jetzt ein Schlaglicht auf die umfassenden Haftungsrisiken für Aufsichtsratsmitglieder. Viele davon ergeben sich aus der Hauptaufgabe der Aufsichtsratsmitglieder, die die Geschäftsführung des Vorstands überwachen und kontrollieren müssen“, sagt Dömmecke. Dabei geht es darum, dass der Aufsichtsrat Leitungsmaßnahmen des Vorstandes daraufhin zu kontrollieren hat, ob sie zweckmäßig, rechtmäßig und wirtschaftlich sind – präventiv, aber auch im Nachgang mit einem vergangenheitsbezogenen Blick.“ Großes finanzielles Risiko Dabei ist das finanzielle Risiko für Aufsichtsräte groß. Denn: Wenn Mitglieder eines Aufsichtsrats ihre Pflichten schuldhaft verletzen, haften sie persönlich, also mit ihrem eigenen Vermögen. „Dass ein Insolvenzverwalter prüft, welche Ansprüche er gegen die Aufsichtsräte eines insolventen Unternehmens geltend machen kann, ist keine Ausnahme, sondern die Regel“, sagt Dömmecke. „Daher sollten Aufsichtsräte gerade dann besondere Vorsicht walten lassen, wenn das Unternehmen, das sie beaufsichtigen, sich in einer Krise befindet. In einer solchen Situation müssen die Mitglieder von Aufsichtsräten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alle ihnen Aufsichtsräte haben zahlreiche Überwachungs- und Kontrollpflichten, denen sie nachkommen müssen. Vielfältig sind aber auch die Gründe für eine Inanspruchnahme. Gerade im Krisenfall ist daher besondere Vorsicht geboten.

gelten nforderungen zur Verfügung stehenden Informationsquellen nutzen, um ihren Pflichten nachzukommen.“ Erhöhte Anforderungen an die Überwachungstätigkeit können aber auch dann vorliegen, wenn ein Mitglied über besondere Sachkenntnis verfügt oder eine besondere Funktion ausübt – etwa den Vorsitz des Aufsichtsrats innehat. Die besonderen Ansprüche und die vielschichtigen Begründungen für eine Inanspruchnahme zeigen exemplarisch zwei Beispiele, in denen Dömmecke für die betroffenen Aufsichtsräte tätig war: Im ersten Fall hatte der Insolvenzverwalter eines Industrieunternehmens gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden eine Haftungsklage angestrengt. Die Begründung: Der Aufsichtsratsvorsitzende hätte Risiken für die Gesellschaft prüfen, erkennen und abwenden müssen, die angeblich in der Kalkulation und der Vertragsgestaltung eines Großprojekts angelegt waren. Trotz des akuten Krisenstadiums der Gesellschaft habe er es aber unterlassen, Aufsichtsratssitzungen einzuberufen und dort das Projekt zur Diskussion zu stellen. Auch wäre der Aufsichtsrat verpflichtet gewesen, einen Zustimmungskatalog für die Geschäftsführung zu implementieren und dessen Beachtung durchzusetzen. Da es einen solchen nicht gegeben habe, sei das Großprojekt ohne Beteiligung des Aufsichtsrates eingegangen worden und habe durch sein vorhersehbares Scheitern die Insolvenz des Industrieunternehmens herbeigeführt. Im zweiten Fall hatte der Insolvenzverwalter einer Aktiengesellschaft Aufsichtsratsmitglieder mit der Begründung in Anspruch genommen, dass diese überhöhte Tantiemenzahlungen an Vorstandsmitglieder gebilligt hätten. Problematisch war hier insbesondere, dass die entsprechenden Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrates nicht gerichtsfest dokumentiert waren und so der Eindruck entstand, die Zahlungen seien von einzelnen Mitgliedern ohne Beschluss freigegeben worden. Pflichten im Blick haben Die beiden Fallbeispiele, aber auch der Fall Wirecard als mahnendes Beispiel zeigen, dass es für Aufsichtsräte gerade in einer Krise des Unternehmens zahlreiche Haftungsrisiken gibt, wenn Aufsichtsräte ihren Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht oder nur unzureichend nachkommen. Umso wichtiger ist es daher für sie, ihre Pflichten zu kennen und im Blick zu haben. Welche Haftungsrisiken Aufsichtsräten bei Pflichtverletzungen drohen und wie sie sich schützen können Gerade in einer Krise des Unternehmens gibt es für Aufsichtsräte zahlreiche Haftungsrisiken, wenn sie ihren Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht oder nur unzureichend nachkommen. Im Interview auf dem Blog von Schultze & Braun geht Thomas Dömmecke auf die Risiken ein und zeigt zudem, wie sich Aufsichtsräte schützen können und welche Punkte sie dabei im Blick haben sollten.

Thema Für eine Beschwerde braucht es prozessuale Sorgfalt Die Entscheidung besagt, dass bei einer sofortigen Beschwerde gegen einen Restrukturierungsplan die Voraussetzungen des § 66 Absatz 2 StaRUG dargelegt werden müssen. „Wichtig ist: Für die Glaubhaftmachung gemäß § 66 Absatz 2 Nummer 3 StaRUG reicht eine voraussichtliche Schlechterstellung durch den Restrukturierungsplan nicht aus“, erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Andreas J. Baumert von Schultze & Braun. „Erforderlich ist, dass der sofortige Beschwerdeführer durch den Restrukturierungsplan wesentlich schlechter gestellt wird als ohne Plan. Zudem darf dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus den in § 64 Absatz 3 StaRUG genannten Mitteln ausgeglichen werden können.“ Bald drei Jahre nach seinem Inkrafttreten sind das StaRUG und der Restrukturierungsplan – das Herzstück einer vorinsolvenzlichen Restrukturierung – inzwischen in der Sanierungspraxis angekommen. Die vielfältige Einsatzmöglichkeiten – etwa bei finanziellen Restrukturierungen – führen aber mitunter auch dazu, dass nicht alle Beteiligten mit dem Restrukturierungsplan und den Auswirkungen der darin festgelegten Maßnahmen einverstanden sind. Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts NürnbergFürth verdeutlicht, was bei einer Beschwerde gegen einen Restrukturierungsplan zu beachten ist.

Hin und Her Im Fall vor dem LG Nürnberg-Fürth ging es um einen Restrukturierungsplan, bei dem es bereits vor der Beschwerde des Beschwerdeführers einiges an Hin und Her gegeben hatte. Die Schuldnerin hatte ihr Restrukturierungsvorhaben Ende März 2023 beim Amtsgericht Nürnberg als Restrukturierungsgericht angezeigt und Anfang Mai ihren Restrukturierungsplan vorgelegt. Einen Minderheitenschutzantrag des Gläubigers, der im Anschluss Beschwerde gegen den Plan gemäß § 64 StaRUG eingelegt hat, wies das AG Nürnberg im Juni zurück und bestätigte so den Restrukturierungsplan der Schuldnerin nach § 60 Absatz 1 StaRUG. Der Beschwerdeführer legte daraufhin Beschwerde gegen den Restrukturierungsplan ein. „Seine Begründung war, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz durch den Ausschluss neuer Bezugsrechte im Restrukturierungsplan verletzt worden sei“, teilt Baumert mit. „Der Restrukturierungsplan sei für ihn als Gläubiger daher nachteilig, da er an der zukünftigen Entwicklung der Schuldnerin nicht teilhaben könne und einen Totalverlust habe. Das sehe er als Enteignung an.“ Formale Voraussetzungen Die Beschwerde gegen den Restrukturierungsplan sei laut dem LG Nürnberg-Fürth als sofortige Beschwerde auszulegen, die zwar statthaft, jedoch nicht zulässig sei. „Die Begründung ist, dass es an den formellen Voraussetzungen des § 66 Absatz 2 StaRUG fehle“, erläutert Baumert. „Dieser besagt, dass ein Beschwerdeführer drei Voraussetzungen erfüllen muss, damit die Beschwerde zulässig ist: Er muss dem Plan im Abstimmungsverfahren widersprochen und gegen ihn gestimmt haben. Zudem muss der Beschwerdeführer als dritte Voraussetzung glaubhaft machen, dass er durch den Plan wesentlich schlechter gestellt würde, als er ohne Plan stünde und dass dieser Nachteil nicht durch eine Zahlung aus der in § 64 Absatz 3 StaRUG genannten Mitteln ausgeglichen werden könne.“ Eine voraussichtliche Schlechterstellung durch den Plan wie sie in § 64 Absatz 1 StaRUG festgelegt sei, genüge, wie das Landgericht zutreffend betont habe, nicht, so Baumert weiter. Im Fall vor dem LG hatte der Beschwerdeführer jedoch dem Plan im Abstimmungsverfahren nicht widersprochen und zudem seine erforderliche materielle Beschwerde weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. „Mit dem Blick auf den Umfang der Schlechterstellung vertritt das Landgericht die Auffassung, dass diese mindestens zehn Prozent der betroffenen Summe oder als Betrag mindestens 600 Euro umfassen müsste“, sagt Baumert. Zudem müsste sich die sichere Schlechterstellung durch den Plan im Vergleich zu einer Situation ohne den Plan ergeben. Hierbei sei aus den grundsätzlich relevanten Alternativszenarien dasselbe Vergleichsszenario herauszugreifen wie bei § 64 StaRUG. Die Bewertung der wesentlichen Schlechterstellung Bei der Bewertung der wesentlichen Schlechterstellung seien zudem die Mittel zu berücksichtigen, die für den Ausgleich des Nachteils des Beschwerdeführers bereitgestellt werden. Er müsste trotz der Erhöhung der Werteallokation im Planszenario durch den Restrukturierungsplan im Vergleich zum Vergleichsszenario noch immer wesentlich schlechter gestellt sein. Die Bewertung der Schlechterstellung könne laut dem LG auch darauf gestützt werden, dass die Mittel der Höhe nach nicht ausreichen werden, um auch die Nachteile des Beschwerdeführers auszugleichen. In Verbindung mit § 294 ZPO muss der Beschwerdeführer aber gemäß § 38 StaRUG Tatsachen vortragen und glaubhaft machen, dass ein solches Nichtausreichen der Mittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffend sei. „Es zeigt sich, dass die sofortige Beschwerde gegen einen Restrukturierungsplan nur auf den ersten Blick einfach ist. Das Aufeinandertreffen von Prozessrecht und Restrukturierungsrecht ist nur mit prozessualer Sorgfalt erfolgsversprechend zu lösen“, fasst Baumert zusammen.

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